Die widerspenstige Braut
traditionsbewusste Offizier setzte sich in die unmittelbare Nähe einer Bediensteten. Warum?
Sie rückte ihren Stuhl ein wenig beiseite.
Was bezweckte er mit dieser Vertraulichkeit? Musste sie sich Sorgen machen wegen ihrer Vergangenheit … oder ihrer Tugend?
Unter seiner etwas zu kritischen Musterung begann sie, sich unbehaglich zu fühlen. Sie wollte nicht, dass er sie nach ihrer Vergangenheit befragte. Sie wollte nicht, dass er ihr Fragen stellte, die sie nur schwer beantworten konnte. Sie hatte sich ein Jahr an diesem Ort auferlegt. Sie musste ihr Versprechen halten.
Deshalb fragte sie: »Warum haben Sie den Kindern solche Streiche wie Morastbäder und Schlangen im Schreibtisch durchgehen lassen? Sie hätten mehr Glück gehabt, ihre Gouvernanten zu halten, wenn Sie dem Einhalt geboten hätten.«
Er musterte sie immer noch.
Sie versuchte, ihm in die Augen zu sehen. Aber sie schaffte es nicht; ihre Vergangenheit, ihre Desillusionierung, was seine Person anging, und vor allem diese fortgesetzte, verwirrende Anziehung, die er auf sie ausübte, brachten sie dazu, ihren Blick zu senken. Sie schaute auf seine rechte Schulter, seitlich daran vorbei auf die goldgerahmten Spiegel, die das Esszimmer schmückten, und dann auf sein Kinn. Behielt ihren Blick da und sah, wie sich seine Lippen bewegten, als er ihr antwortete. »Ich bin sehr häufig unterwegs, und wenn die Gouvernante nicht mit jeder Situation fertig wird, ist sie für mich von keinerlei Nutzen.«
»Das nehme ich an.« Sie betrachtete die Flecken auf der weißen Tischdecke, Flecken, die seine Kinder verursacht hatten.
»Wer ist die Gräfin Marchant?«
»Teresa ist eine sehr schöne Dame, eine Freundin meiner Frau.« Er drehte sein Glas und lächelte liebevoll in seinen Sherry, als würden es die Augen der Gräfin sein. »Sie ist mir eine große Hilfe gewesen seit meiner Rückkehr nach England. Sie drängt mich seit langem, mein gesellschaftliches Leben wieder aufzunehmen, und deshalb weiß ich, dass sie froh sein wird, mir bei der Gesellschaft zu helfen.«
»Oh.« Kälte durchfuhr Samantha, und sie verspannte sich auf ihrem Stuhl. Sie hatte es ja gewusst, dass es ein verborgenes Motiv für diese Gesellschaft geben musste. Er hatte ihr gerade ein verständliches präsentiert – er hatte beschlossen, Lady Marchant den Hof zu machen, und er tat es in der ihm vertrautesten Art und Weise, indem er ihr die Annehmlichkeit seines Heims als Lockmittel vor Augen führte. Das erklärte mit Sicherheit, warum die Kinder so unglücklich waren. Sie würden niemand willkommen heißen, der den Platz ihrer geliebten Mutter einnehmen wollte.
Das erklärte allerdings nicht, warum Samantha unglücklich war, aber sie wollte nicht darüber nachdenken. »Werden die Kinder das Abendessen mit Ihnen gemeinsam einnehmen, während die Gräfin hier ist?« Sie nahm einen weiteren Schluck Likör und genoss den aromatischen Geschmack.
»Nicht während der Gesellschaft, aber sonst … natürlich.«
Er machte einen verständnislosen Eindruck. »Warum sollten sie auch nicht?«
Sie wusste nicht genau, wie sie das Offensichtliche erklären sollte. »Sie … verschütten Milch.«
»Natürlich verschütten sie Milch. Meine Töchter verschütten die ganze Zeit Milch. Das Haus ist durchtränkt von Milch.
Ich bin überrascht, dass wir noch nicht weggespült worden sind von der vielen Milch.«
Samantha gab ein verblüfftes gurgelndes Lachen von sich.
»Das ist der Grund, warum die meisten adeligen Leute nicht mit ihren jüngeren Kindern gemeinsam essen.«
»Warum tue ich es also?« Er legte seine Hände flach auf den Tisch und beugte sich zu ihr vor. »Ist das Ihre Frage, Miss Prendregast?«
Kein Wunder, dass er es in jener Nacht geschafft hatte, sie auf der Straße festzuhalten. Er hatte die männlichsten Hände, die sie jemals das Vergnügen hatte zu bewundern, mit langen Fingern und breiten Handflächen, samt Nägeln, die sauber und gut gepflegt waren. Seine Handrücken waren groß und kräftig und leicht mit dunklem Haar gesprenkelt. Sie strahlten Autorität und Stärke aus. Sie konnte die Kraft, die in ihnen ruhte, an den Venen und Sehnen erahnen, und sie litt erneut unter diesem lästigen Gefühlsaufruhr ganz tief in ihrem Unterleib. Röte breitete sich auf ihren Wangen bis zu ihrer Stirn aus. Ausgerechnet bei ihr, die nie zuvor errötet war. Was bedeutete das nun wieder?
Eine innere Stimme machte sich über sie lustig.
Du weißt,
was das bedeutet.
Aber mit aller Kraft blendete
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