Die widerspenstige Braut
hinausblicken zu können. Colonel Gregory hatte listigerweise den einzigen Befehl geschickt, den sie nicht ignorieren konnte – einen, den seine Kinder überbringen würden.
Sie flatterten herbei, lachten und schwatzten. Die Älteren hielten die Kleinen an der Hand. Colonel Gregory hatte Samanthas Ratschlag befolgt und für jede eine andere Farbe besorgt, so dass sie jetzt wie ein gerüschter MiniaturRegenbogen aussahen mit ihren einfarbigen gelben, blauen, roten, violetten, grünen und rosafarbenen Kleidern. Die Kleinsten trugen die kräftigsten Farben. Agnes trug Rosa, was hervorragend zu ihren vor Aufregung geröteten Wangen passte. Sogar Mara hatte es geschafft, ordentlich auszusehen in ihrem grünen Kleid mit dem sittsamen Spitzenkragen. Ihre Hauben passten zu ihren Kleidern, jede unter dem Kinn gebunden mit kontrastreichen Schleifen.
Zum ersten Mal an diesem Tag konnte Samantha lächeln.
»Sind die Kleider nicht schön geworden? Sehen die Mädchen nicht hübsch aus?«
Clarinda trat an ihre Seite. »Ja, Miss, das sind sie. Sie ham sie glücklich gemacht, daran besteht kein Zweifel. Ham auf jemand gewartet wie Sie, das ham sie.« Sie klopfte Samantha fest auf die Schulter. »Vergessen Sie das nicht, Miss, wenn Sie denken sollten, dass Sie nicht zu diesen adligen Leuten gehör’n.«
Samantha warf Clarinda einen Seitenblick zu. »Ist es so offensichtlich?«
»Es ist ganz natürlich, wenn man sich unter Edelleuten aufhalten muss, aber Sie schaffen das schon. Weil, wie Mrs. Shelbourn sagt, Sie genauso gute Manieren ham wie jede andere Lady, sich besser unterhalten können als die meisten und überall reinpassen, wenn Sie es woll’n.«
Ein warmes Gefühl von Zufriedenheit überschwemmte Samantha. »Lady Bucknell sagt das Gleiche. Vielen Dank, Clarinda. Das war’s, was ich unbedingt wieder hören musste.«
»Und nun geh’n Sie schon raus zu den Kindern und lassen sich von ihnen auf die Gesellschaft führ’n.«
Und wenn irgendjemand sie wieder erkennen würde … nun ja, sie würde mit der Situation schon fertig werden, wenn sie auftrat. Genauso hatte sie es ihr Leben lang gehalten, einen Schritt nach dem anderen getan, eine Situation nach der nächsten bewältigt. Colonel Gregory würde auf gar keinen Fall gestatten, sie so aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie konnte dem Mann schließlich nicht zum Vorwurf machen, das Richtige getan zu haben, indem er sie so weit wie möglich aus seiner Nähe entfernte. Und sobald die Gesellschaft vorbei wäre, würde sie erneut ausschließlich eine Gouvernante sein. Sie musste nur die nächsten drei Tage überstehen.
Über den Rest des Jahres würde sie sich nicht gestatten, nachzugrübeln.
Nachdem sie einmal eine Entscheidung getroffen hatte, ging sie zur Tür, um sie zu öffnen.
Clarinda verstellte ihr den Weg. »Nein, Miss. Ihre Zofe sollte Ihren Gästen die Tür öffnen.« Was sie auch tat und dann wartete, bis die Kinder auf die Veranda hüpften. Clarinda knickste mit ausgesuchter Förmlichkeit. »Wen darf ich bitte melden?«
»Wir sind es, Clarinda.« Kyla klang verblüfft. »Erkennst du uns denn nicht?«
»Sicher tut sie das, sie tut nur so, als wären wir richtige Erwachsene, die sie anzumelden hat«, erklärte Henrietta ihr.
»Ohh.« Kyla reckte ihr pummeliges kleines Kinn. »Das wusste ich nicht.«
Samantha verbarg sich im Schatten der Eingangstür und beobachtete, wie Agnes die Kinder aufstellte.
Vivian sagte: »Wir sind die Misses Gregory und sind gekommen, um Miss Prendregast zu besuchen.«
»Ich werde nachsehen, ob sie da ist.« Während die Kinder sich krümmten vor Lachen, ging Clarinda zurück ins Haus und kündigte an: »Die Misses Gregory, Ma’am.«
Mit einem anmutigen Lächeln trat Samantha auf die Veranda. »Es ist sehr freundlich von euch, mir einen Besuch abzustatten.« Dann überfiel sie die Freude, sie zu sehen, und sie klatschte begeistert in die Hände. »Nein, was seht ihr Mädchen wunderschön aus!«
»Ja, dasss finden wir auch«, lispelte Emmeline.
»Sie aber auch, Miss Prendregast.« Mara klang ehrfürchtig.
»Vielen Dank.« Samantha glättete ihren Rock. Clarinda hatte den Ausschnitt eines schulterfreien Tageskleides von Samantha, das einen saphirblaugoldenen Glockenrock hatte und aus Popeline war, mit flacher Goldborte besetzt. Adorna hätte den Wechsel begrüßt, denn er akzentuierte Samanthas langen Hals und ihre schlanken Hände und stärkte Samanthas Selbstvertrauen. »Darf ich die Damen hereinbitten?«
»Nein, Vater
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