Die widerspenstige Braut
einem Mann schlafen, den Sie lieben?«
Lady Marchant schnappte keuchend nach Luft. »Was meinen Sie damit?«
»Sie wissen sehr gut, was ich damit meine. Ich mag Sie auch.
Ich weiß nicht, warum. Ich sollte es eigentlich nicht, aber ich tue es.« Sie sagte die Wahrheit, wurde Samantha klar, und das verblüffte und erheiterte sie gleichermaßen. »Sie sind die Art von Lady, die ihr ganzes Leben lang immer nur die richtigen Dinge getan hat. Sie haben den richtigen Mann geheiratet, die richtigen Leute unterhalten, die richtigen Kleider getragen, und das alles … wofür? Nicht für sich selbst, das ist mal sicher.«
»Ich mag meine Kleider und meine … die Menschen, die ich unterhalte.«
Samantha betrachtete sie, versuchte, sie zu verstehen, und schließlich tat sie es. »Sie können sie nicht einmal Freunde nennen.«
Bleich und abweisend wies Lady Marchant sie zurecht:
»Freundschaft ist nicht alles im Leben.«
Ein Gefühl von quälender Einsamkeit überfiel Samantha, Sehnsucht danach, mit Adorna und den anderen Mädchen der Vornehmen Akademie der Gouvernanten zu reden. »Dennoch vermisse ich meine Freundinnen.« Einen Moment lang sah diese völlig verwirrte Frau ihr gegenüber tatsächlich wie eine Freundin aus, und Samantha brach mit einer ihrer eigenen Regeln. Sie gab ihr einen Ratschlag. »Mr. Monroe begehrt Sie so sehr. Er würde Ihnen zeigen, was richtige Lust ist.«
»Das wäre nicht von Dauer«, antwortete Lady Marchant wie aus der Pistole geschossen.
»Was ist schon von Dauer, Mylady?« Samantha konnte selber den Zynismus in ihren Worten hören. »Was schon?«
In Lady Marchants Gesicht arbeitete es. Dann festigte sich ihr Gesichtsausdruck, und sie reckte entschlossen ihr Kinn.
»Ich beabsichtige, einen Ehemann erworben zu haben, bis diese Gesellschaft vorüber ist.« Sie beugte sich bedeutungsvoll zu Samantha und sagte: »Den Hauptgewinn.«
Colonel Gregory. Natürlich. »Wenn Sie das tun, werden Sie sich gegenseitig betrügen.« Als Lady Marchant protestieren wollte, hielt Samantha abwehrend ihre Hand hoch. »Ich habe nie bezweifelt, dass Sie ihn gewinnen werden. Ich denke, dass es bedauerlich ist, wo es doch einen Mann gibt, der in der Kulisse auf Sie wartet und Sie so sehnlichst für sich gewinnen möchte. Aber egal – ich wünsche Ihnen auf jeden Fall eine erfolgreiche Jagd.«
Offensichtlich reichten Lady Marchant Samanthas gute Wünsche nicht. »Sie können ihn nicht haben. Kennen Sie die Geschichte vom Tod seiner Frau?«
»Nein, Mylady.« Samantha wollte sie nicht hören, aber sie lauschte mit geradezu krankhafter Faszination.
Lady Marchant sprach hastig, als hätte sie den Wunsch, die Geschichte schnell hinter sich zu bringen. »Wir waren alle in Kaschmir stationiert, ein wunderschöner Ort im Gebirge. Kühl und von spektakulärer Schönheit. Wir lebten in getrennten Quartieren, und ich weiß nicht genau, wie ich die Einsamkeit erklären soll, die es bedeutete, in einem Land zu leben, wo alles fremd war … und die Einheimischen hassten uns. Wenn irgendjemand eine Einladung geschickt hat, sind wir ihr gefolgt. Wir reisten meilenweit, um alte Freunde zu besuchen, um Klatsch von zu Hause zu hören, um Englisch ohne Akzent zu hören.«
Sie schaute Samantha zwar an, aber was sie sah, war ein anderer Ort und eine längst vergangene Zeit. »Es gab ständig irgendwelche Unruhen, die von den Russen geschürt wurden, und wenn so etwas wieder einmal passierte, meldete William sich regelmäßig freiwillig, um das Bataillon anzuführen. Kurz vor der größten Gesellschaft des Jahres wurden unsere Soldaten aufgefordert, einen Aufruhr zu unterdrücken. Er marschierte also wieder einmal mit seinen Leuten in die Ferne.«
Samantha schluckte. Was für eine Albernheit, sich Sorgen zu machen wegen eines Mannes, der offensichtlich die Gefahr überlebt hatte … aber sie tat es.
»Mary war wütend, was ungewöhnlich war, weil Mary die sanfteste Seele war, die man sich vorstellen kann. Sie vergötterte William. Sie hat ihm alles durchgehen lassen, ihm jeden Wunsch erfüllt. Sie wäre gern zurückgekehrt nach England, aber er wollte nicht, also blieb sie. Sie wollte, dass ihre Kinder englische Schulen besuchten, aber er wollte das nicht, also blieben sie. Sie vermisste ihre Familie … Ich habe ihr gesagt, dass es nicht gut sei, einen Ehemann so zu verwöhnen, aber sie hat nicht auf mich gehört.« Lady Marchant machte eine missbilligende Handbewegung. »Wie auch immer, sie hat William nie um etwas gebeten,
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