Die widerspenstige Lady
weiteres Wort ergriff er sie bei der Taille. Fest zog er sie dann an die Brust. „Pass nur auf.“
Diesmal war sein Kuss hart und voller Verlangen. Annabell rang nach Atem, als sie fühlte, wie ihr ganzer Körper sich nach seinen Berührungen sehnte. Endlich gab sie nach und legte ihm die Arme um den Nacken.
Heiß wallte die Leidenschaft in ihr auf, und sie vergaß alle Hemmungen. Sie wollte nur noch ihn. Sehnsüchtig erwiderte sie den Kuss, während Hugo ihr die Hände über den Rücken gleiten ließ. Dabei presste er sie immer wieder fest an sich.
Dann umfasste er eine ihrer Brüste und streichelte sie sanft. Annabell glaubte, sie würde ohnmächtig vor Begehren. Wie sehnte sie sich … ja, wonach nur? Sie vermochte es nicht zu sagen. Aber sie wusste, sie wünschte sich nichts mehr, als dass dieser Augenblick nie enden möge.
Dicht drängte sie sich an ihn, als er die Hand über ihre Hüften gleiten ließ.
„Fühlst du, welche Wirkung du auf mich hast?“, flüsterte er und drückte sie gegen die Lenden. Es war fast mehr, als sie ertragen konnte. Wieder flammte unendliche Leidenschaft in ihr auf wie in jeder Nacht, seit sie Hugo begegnet war. Sie verzehrte sich nach ihm, wollte ihn spüren, mit ihm verschmelzen. Doch das eigene Verlangen entsetzte sie. Abwehrend schüttelte sie den Kopf.
„Stoß mich jetzt nicht fort!“
„Ich kenne mich selbst nicht mehr. Noch nie bin ich zum Opfer meiner Leidenschaften geworden.“ Wirklich, dies geschah ihr zum ersten Mal.
„Willst du mich noch weiter anstacheln?“, fragte er erregt. „Du wirst mir gehören, ganz gleich, was ich dafür tun muss.“
Wieder wollte er die Lippen auf die ihren senken.
Auf dem breiten Sandweg war das Knirschen von Wagenrädern zu hören. Eilig gab Hugo sie frei.
„Die Männer aus dem Dorf“, flüsterte sie. War sie nun erleichtert oder traurig? Obwohl es ihr nichts als Schwierigkeiten einbringen würde, zog dieser Mann sie dennoch magisch an.
Er trat einige Schritte beiseite.
„Behalt es“, sagte er, als er bemerkte, dass sie das Jackett abnehmen wollte. „Du wirst hier noch eine ganze Weile zu tun haben, und es wird noch kühler werden in den nächsten Stunden.“
„Und was ist mit dir?“
„Ich reite jetzt heim. Und dort werde ich mich in der Bibliothek mit einem großen Cognac ans Feuer setzen.“ Er seufzte. „Ich muss mich damit beruhigen.“
Ja, sie verstand, was er damit meinte, denn auch sie hatte immer noch ganz weiche Knie. Schweigend beobachtete sie, wie er aufsaß. Der Karren mit den Arbeitern aus dem Dorf kam nun heran. Eine steife Brise wehte einem der Männer fast den breitkrempigen Hut vom Kopf. Annabell hatte gar nicht bemerkt, dass ein solcher Sturm aufgekommen war.
„Wir müssen uns beeilen, bevor das Unwetter losbricht“, rief sie den Männern zu.
Nach getaner Arbeit betrat Annabell die Eingangshalle von Rosemont. Sie war müde, der Rücken schmerzte, und der letzte Mensch, dem sie zu begegnen wünschte, war Hugo. Selbstverständlich stand er gleich darauf vor ihr.
„Ah, Lady Fenwick-Clyde“, begrüßte er sie und kam zu ihr herüber.
Wie meist war sein Haar zerzaust, und das Hemd stand offen. Langsam gewöhnte sie sich an diesen Anblick. Dennoch klopfte ihr das Herz, was sie ebenfalls nicht mehr zu überraschen vermochte.
„Sir Hugo“, antwortete sie gleichermaßen förmlich und betont gleichmütig, als wäre ihr sein plötzliches Erscheinen ganz gleichgültig. Dabei hätte sie sich ihm heute Nachmittag haltlos hingegeben, wenn nicht die Männer aus dem Dorf erschienen wären.
„Sie haben heute sehr lange gearbeitet, Madam.“
„Ja, es dauerte, bis die Männer die Plane über dem Mosaik aufgespannt hatten. Und dann kamen auch die Frauen noch zu spät.“
„Wie bitte?“
„Sie haben recht gehört“, bestätigte sie ein wenig verärgert. „Ich beschäftige auch einige Frauen aus dem Dorf. Meist sind die nämlich beim vorsichtigen Freilegen verschütteter Ruinen weit geschickter als Männer. Sie zeigen mehr Geduld. Das schreibe ich dem Umstand zu, dass sie nähen, stricken und weben müssen. Alles Tätigkeiten, die erhöhte Aufmerksamkeit und größte Fingerfertigkeit erfordern.“
„Bestimmt.“ Er lächelte vielsagend.
„Hugo!“, ließ sich eine Kinderstimme vernehmen. „Guck her!“
Er wandte sich um. Rosalie saß oben auf dem kunstvoll geschnitzten Treppengeländer. Die Locken fielen ihr offen über den Rücken, und die Röcke waren weit genug hochgerutscht, dass sie
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