Die Widmung: Roman (German Edition)

Children’s Island hindurch so direkt hinaus aufs Meer, wie es in dem geschützten Gewässer zwischen Salem und Cape Ann möglich war.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte eine der Silberlöwinnen.
    »Bei Dämmerung müssen wir die Küste hinter uns gelassen haben«, antwortete er. Sie saßen schweigend im Heck. Schließlich hielt er an einer Stelle an, die er gut kannte und wo das Meer nicht sehr bewegt war. Hinter ihnen lag die gesamte Nordküste, die in der Ferne langsam verschwamm, und im Süden sah man schwach die Silhouette der Skyline von Boston. Doch wenn man sich nicht umdrehte, war geradeaus eine klare Horizontlinie.
    »Hier draußen schaukelt es ein bisschen«, sagte eine andere Kursteilnehmerin.
    »Überhaupt nicht«, antwortete Hawk.
    »Was ist, wenn wir mitten in einem Schifffahrtsweg sind?«
    »Manchmal ist eine Schifffahrtsroute genau richtig«, sagte er lachend.
    Alle sahen sich nervös um.
    »Entspannen Sie sich«, sagte er. »Wir sind hier nicht auf einem Schifffahrtsweg.«
    »Puh!«
    »Aber kann mir jemand sagen, wann es günstig sein könnte, sich auf einem Schifffahrtsweg zu befinden?«
    Alle sahen sich an.
    Schließlich meldete sich eine der schüchterneren Frauen zu Wort. »Wenn man in Schwierigkeiten gerät und gerettet werden muss«, sagte sie. »Dann wäre ein Schifffahrtsweg gut. Wenn man eine Panne hat oder so.«
    »Haben wir eine Panne?«, fragte eine andere Frau entsetzt.
    »Keine Sorge, meine Damen, wir befinden uns nicht auf einem Schifffahrtsweg und haben keine Panne. Aber es freut mich, dass jemand das Buch gelesen hat.«
    Eine der Frauen hatte eine Flasche Wein herausgeholt und suchte nach einem Korkenzieher.
    »Ich wusste nicht, dass das hier eine Party ist«, sagte Hawk.
    »Im Allgemeinen habe ich gerne ein bisschen Wein, bevor ich meinen Sextanten pendeln lasse«, sagte die Frau.
    Die anderen Frauen kicherten, und Hawk hoffte, dass er nicht rot anlief.
    »Sie sind ja wirklich unerbittlich, meinte Damen«, sagte er.
    »Ich finde uns eher konzentriert«, entgegnete eine von ihnen.
    »Ich glaube, ohne den Wein können Sie sich besser konzentrieren.«
    »Sie sind aber nicht sehr lustig.« Die Frau klang enttäuscht.
    »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.« Hawk nahm die Flasche und steckte sie zurück in die Tasche.
    Sie holten ihre Notizbücher hervor und ihre Plastiksextanten. Hawk mochte die Dinger zwar nicht, aber er musste zugeben, dass sie für diesen Kurs angemessen waren. Er selbst hatte zur Sicherheit einen als Reserve, allerdings könnte er notfalls auch eine Navigation ohne Sextanten durchführen. Mit den Uhren war das etwas anderes. Für eine genaue Positionsbestimmung brauchte man nämlich die Greenwich Mean Time auf die Sekunde genau. Verbrachte man genügend Zeit auf dem Wasser, plante man für sämtliche Katastrophenfälle. Er kannte mindestens drei Seeleute, die Horrorgeschichten über nicht funktionierende GPS -Geräte erzählen konnten. Manches davon war Seemannsgarn, aber er wusste, dass zumindest einige dieser Geschichten stimmten.
    Heute trugen die Damen alle Quarzuhren, was man heute in der Zeit der Mobiltelefone nicht mehr häufig sah. Hawk drehte den Kurzwellensender auf und suchte das Zeitzeichen von WWV , um die Uhren auf GMT einzustellen. Er lauschte dem Ticken und dem Piepsen, bis die Zeit angesagt wurde, und sah den Frauen zu, wie sie das mit ihren Uhren verglichen. Bisher schienen sie zu wissen, was sie taten. Ein gutes Zeichen.
    Nur eine der Frauen hatte keine Uhr dabei, und er reichte ihr stillschweigend seine. Er hatte noch mindestens zwei weitere in der Kabine – auch eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall der Fälle. Mit Mondmessungen konnte man auch die Greenwich Mean Time bestimmen, aber das war schwierig und lange nicht so genau, und er machte das ungern, außer in einem extremen Notfall. Heute wollte er gar nicht erst mit Mondmessungen anfangen. Er wollte sie nicht durcheinanderbringen. Erst einmal sollten sie lernen, den Sextanten zu beherrschen.
    »Okay«, sagte er. »Suchen Sie sich eine Stelle, an der Sie es bequem haben, und justieren Sie Ihren Sextanten.«
    Die Frauen positionierten sich im Heck, holten die Instrumente vor und schauten in ihren Almanach.
    »Haben Sie alle Berechnungen durchgeführt? Wissen Sie, welche Sterne Sie suchen müssen?«
    Ihren derzeitigen Standort hätten sie vorab für den heutigen Abend nicht vorbereiten können, aber sie waren so nahe am Ausgangspunkt, dass die Navigationssterne dieselben sein sollten. Er ging