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Die Wiedergeburt

Die Wiedergeburt

Titel: Die Wiedergeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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auch dort keine Droschke zu sehen. Triefend vor Nässe und außer Atem, gab sie die Verfolgung auf.

3
    Alexandra betrat die Pension durch den Seiteneingang. Ihr Mantel war nass und schwer vom Regen, ebenso wie der Rest ihrer Gewänder, doch erst jetzt, zurück in der stickigen Enge des Gasthauses, wurde ihr bewusst, wie sehr sie fror. Die Kälte würde rasch verfliegen, sobald sie erst in ihrer Kammer war und den Kamin geschürt hatte. Die Unruhe, die sie im Augenblick verspürte, würde wohl noch eine Weile ihr Begleiter bleiben.
    Sie blieb vor der Treppe stehen und streifte sich das Regenwasser vom Mantel, während sie sich zum wohl hundertsten Mal fragte, wer der Blonde gewesen sein mochte. In ein paar Stunden sitze ich in der Kutsche in Richtung London. Aber was, wenn der Blonde wusste, was sie vorhatte? War er bereits beim White Horse Inn in der Nähe gewesen? Sie versuchte sich zu erinnern, wann sie sich zum ersten Mal beobachtet gefühlt hatte, und glaubte, dass es erst auf der Royal Mile gewesen war, ein ganzes Stück, nachdem sie den Netherbow durchschritten hatte. Was, wenn ich davor zu abgelenkt war, um es zu bemerken? Ganz bestimmt würde sie wegen einer vagen Vorahnung nicht auf die Reise verzichten und wochenlang auf die nächste Kutsche warten, ehe sie der Stadt – und den Jägern – endlich den Rücken kehren konnte. Hätte der Blonde den Auftrag gehabt, sie umzubringen, wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, ihr im Gedränge des Marktes einen Dolch zwischen die Rippen zu stoßen. Er hat nicht einmal eine sichtbare Waffe getragen. Dass er ihr nachgestellt hatte, gefiel ihr nicht, doch falls er ihr wirklich nach London folgte, sollte es ihr in der riesigen Stadt nicht schwerfallen, ihn abzuhängen.
    Alexandra stieg die Treppe nach oben und ging zu ihrem Zimmer. Ein Nachtlicht verbreitete seinen trüben Schein. Ihre Hand lag schon auf dem Türgriff, als sie von drinnen das Knarren einer Bodendiele vernahm, das sie innehalten ließ. Sie legte das Ohr ans Holz und lauschte, doch es war nichts mehr zu hören. Dennoch verharrte sie. Hatte sie den Blonden unterschätzt? Oder überschätzte sie ihn, wenn sie annahm, dass er in ihrer Kammer auf sie wartete? Woher soll er wissen, wo ich wohne, wenn er mir nicht hierher gefolgt ist? Aber hatte sie sich nicht sogar in ihrer Kammer beobachtet gefühlt? Das Empfinden dabei war ein anderes gewesen als heute Nachmittag, und doch … Sie griff unter ihren Mantel und zog die Pistole. Dann drückte sie die Klinke und stieß die Tür auf. Der Lauf ihrer Waffe zielte in die Dunkelheit. Langsam fand der Schein des Nachtlichts seinen Weg in den Raum und offenbarte die Umrisse der kargen Einrichtung. Lediglich in den Ecken hielten sich die Schatten, als hätten sie sich vor dem Licht dorthin zurückgezogen. Auf den ersten Blick wirkte alles normal. Trotzdem blieb sie auf der Schwelle stehen. Ihre Augen glitten durch die Kammer, erfassten jeden Zoll, den sie von ihrem Standort aus einsehen konnte. Wenn wirklich jemand im Raum war, würde er sich hinter oder neben der Tür verbergen – der einzige Ort, den sie nicht einsehen konnte.
    Die Pistole im Anschlag, ließ sie ihren Blick durch das Halbdunkel wandern und folgte den Schatten in die Ecken. Aufmerksam lauschte sie in die Dunkelheit, suchte nach dem verdächtigen Rascheln von Stoff oder einem leisen Atmen. Doch da war nichts. Nur Stille. Sie wagte sich einen Schritt vor. Auf der Schwelle schwenkte sie die Waffe nach links, in Richtung der Wand neben der Tür. Da sprang eine schemenhafte Gestalt vor und entriss ihr die Pistole. Alexandra wollte auf den Gang zurück, als sich eine weitere Gestalt aus den Schatten löste, sie packte und in den Raum zerrte. Hinter ihr flog die Tür zu. Die Kammer versank in Dunkelheit. Finger gruben sich schmerzhaft in ihren Oberarm und hielten sie mit einem Klammergriff umfangen, aus dem sie sich trotz aller Gegenwehr nicht befreien konnte.
    »Licht!«, zischte Vladimir unmittelbar neben ihr.
    Sofort wurde eine Laterne aufgeblendet. Blinzelnd sah sich Alexandra um. Vladimir hielt sie noch immer fest, neben ihm stand Mihail mit ihrer Doppelläufigen in der Hand. Gavril trat hinter der Tür hervor und stellte die Laterne auf den Waschtisch. Seine Miene war ernst, was ihr jedoch mehr Sorgen bereitete, war, dass er ihrem Blick auswich, als wolle er mit dem, was hier geschah, nichts zu tun haben.
    »Wo ist er?«, knurrte Vladimir.
    Etwas an seiner Frage war erschreckend falsch. Es dauerte

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