Die Wiedergeburt
Blick richtete sich auf Bothwell. »Würdest du dich bitte darum kümmern?«
Bothwell nickte.
»Ich kenne einen geeigneten Ort«, warf Alexandra ein. »Daerons Haus in Canongate.« Daeron hatte die Miete für einige Zeit im Voraus bezahlt und das Geld nicht zurückverlangt, ehe er mit Catherine abgereist war. Die Jäger wussten nichts von diesem Haus, abgesehen davon würde es ihnen eine umständliche Suche nach einer neuen Unterkunft ersparen, bei der sie Gefahr liefen, den Weg der Jäger zu kreuzen.
Lucian nickte. »Ein hervorragender Vorschlag. Allerdings möchte ich trotzdem nicht, dass du allein nach St. Giles gehst.«
»Lass sie«, mischte sich Bothwell ein und wandte sich an Alexandra. »Sie gehen, doch zuvor sagen Sie mir, wo die Jäger wohnen und wo sie sich für gewöhnlich aufhalten. Ich will alles über die Gewohnheiten dieser Männer wissen. Dann werde ich mich ihnen an die Fersen heften und sehen, was die Kerle treiben. Für den Fall, dass sie in Ihre Nähe kommen, werde ich sie ablenken und sie Ihnen vom Hals halten.«
10
Robert schlug den Mantelkragen hoch und zog sich den Dreispitz ins Gesicht, um sich vor dem eisigen Wind zu schützen, der durch die Gasse strich. Dicht an die Hauswand gedrängt, harrte er im Schatten aus und beobachtete die Pension der Jäger auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Mittlerweile war es beinahe Abend geworden und er stand bereits seit Stunden hier. Sobald sie am Morgen übereingekommen waren, Lauriston House zu verlassen, hatten sie ihre Habe zusammengepackt und waren mit der Droschke nach Canongate gefahren. Wie die Jägerin gehofft hatte, stand das Haus noch immer leer. Es war nur ein Stadthaus, weitaus kleiner als ihr voriger Unterschlupf, doch das störte Robert nicht, solange sie dort unbehelligt blieben.
Die Zimmer waren schnell aufgeteilt und das Gepäck rasch ausgeladen. Lucian, der in ihrer neuen Unterkunft auf ihre Rückkehr warten würde, nahm ein Stilett und eine seiner Pistolen und hielt beides der Jägerin entgegen. Sie wollte ablehnen, doch er griff nach ihrer Hand, legte die Waffen hinein und schloss ihre Finger darum. »Nimm sie«, sagte er. »Ich will, dass du dich verteidigen kannst.«
»Und was ist mit dir?«
»Abgesehen davon, dass mir im Gegensatz zu dir weitaus weniger zustoßen kann«, sagte er mit verschmitztem Lächeln, »besitze ich noch eine zweite Pistole.«
Schließlich hatte sie die Waffen samt Munition an sich genommen und in ihrem Hosenbund verstaut. Da sich ihr Mantel noch immer in der Bibliothek befand, gab Lucian ihr einen von sich.
Kurz darauf war Robert zusammen mit der Jägerin aufgebrochen. Schweigend waren sie durch den Netherbow gegangen, die Royal Mile hinauf, ehe er sie an der Kathedrale von St. Giles zurückgelassen hatte, um seinen Weg zur Unterkunft ihrer einstigen Kameraden fortzusetzen. Später würden sie wieder zu Lucian nach Canongate zurückkehren.
Der Wind frischte auf und brachte eisigen Regen mit sich, unter den sich vereinzelte Schneeflocken mischten. Nebel zog aus dem Osten von der See heran und kroch zwischen den Häusern hindurch.
Alexandra Boroi bereitete Robert ernsthaftes Kopfzerbrechen. Ihretwegen war Lucian verletzt worden. Natürlich hatte Lucian recht, wenn er sagte, das Kreuz und die Jäger wären selbst dann eine Gefahr, wenn er ihr niemals begegnet wäre. Doch diese Erkenntnis beruhigte Robert keineswegs. Sie bestärkte ihn nur in einer Ahnung, die schon seit einiger Zeit von ihm Besitz ergriffen hatte: Womöglich brachte die Jägerin eine vollkommen andere Art von Gefahr mit sich, die nicht das Geringste mit ihren einstigen Spießgesellen oder dem Schwarzen Kreuz zu tun hatte.
Vergangene Nacht mochte sie Lucian vor dem sicheren Ende bewahrt haben, dennoch glaubte Robert an die Prophezeiung – auch wenn er noch nicht zu sagen vermochte, wie diese Frau Lucian den Tod bringen würde.
Seit Lucian die Jägerin nach Lauriston House gebracht hatte, beobachtete Robert die Frau. Es hatte beinahe den Anschein, als versuche sie Lucian aus dem Weg zu gehen. Nach einiger Zeit war Robert zu der Überzeugung gelangt, dass sie Lucians Gefühle nicht erwiderte. Heute Morgen jedoch war etwas anders gewesen. Etwas an der Art, wie die Jägerin Lucian ansah, hatte sich verändert. Diese Entwicklung missfiel Robert. Wenn es um sie ging, schien Lucian den Verstand zu verlieren. Konnte ein Mensch tatsächlich derart tief empfinden, dass er die Konsequenzen seiner Liebe bereitwillig auf sich nahm?
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