Die Wiedergeburt
die den Mord untersuchten, die Details für sich. Einzig der Leichenfundort ließ sich nicht verheimlichen, doch das würde nicht genügen, um den Leuten ihre Furcht zu nehmen.
»Die Jäger scheint niemand in Verdacht zu haben«, beendete Bothwell seinen Bericht und spülte seinen Verdruss mit einem Schluck Tee herunter.
Alexandra unterdrückte einen Fluch. Wie sollten sie ihre Nachforschungen jetzt fortsetzen? Zweifelsohne würden Vladimir und seine Gefährten die Bibliothek beobachten. »Hat jemand etwas gefunden, bevor die Jäger … ehe sie aufgetaucht sind?«
»Nichts«, erwiderte Bothwell grimmig. »Nicht einmal einen Hinweis. Ich war nahezu durch mit dem Regal – vermutlich werden uns auch die wenigen Bücher, die ich nicht angesehen habe, nicht weiterhelfen.«
»Ich habe auch nichts gefunden.« Lucian schüttelte den Kopf und wandte sich an Alexandra. »Hast du etwas entdeckt?«
Bothwell quittierte Lucians formlose Anrede mit einer Grimasse.
Sie berichtete von dem Buch über Reliquien und dem Hinweis auf einen zweiten Band. »Womöglich ist er irgendwo in den Regalen, falls ja, habe ich ihn nicht entdeckt. Ich muss noch einmal hin.«
»Das geht nicht«, widersprach Bothwell. »Die Bibliothek ist geschlossen und wird es wohl noch einige Tage sein.«
Diesmal gelang es Alexandra nicht mehr, den Fluch zu unterdrücken. Damit würde ihnen für einige Zeit der Zugriff auf die Bücher verwehrt bleiben. Erst jetzt wurde ihr bewusst, was gestern geschehen war. Sie sank in den Stuhl zurück und schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich kann einfach nicht glauben, dass Vladimir wirklich so weit gegangen ist, einen Menschen zu töten.«
»Ich denke, du hast es vollkommen richtig erkannt«, sagte Lucian ruhig. »Vladimir ist nicht mehr Herr seiner Sinne. Er ist derart besessen, dass er sich nicht länger um Grenzen schert.«
»Und die beiden anderen folgen ihm wie zwei brave Schoßhündchen«, fügte Bothwell hinzu.
Eine Weile blickte Lucian nachdenklich auf den Tisch, ehe er Alexandra erneut ansah. »Je eher du die Stadt verlässt, desto schneller wirst du vor ihnen in Sicherheit sein.«
Und was ist mit dir? Die Vorstellung, Vladimir könne ihn in einen Hinterhalt locken und an einem verlassenen Ort auf immer in einem Netz aus Lamienkraut gefangen setzen, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Ganz gleich, wie weit sie auch mit dem Splitter fortginge, Lucian wäre dennoch weiterhin in Gefahr.
»Solange wir nicht in die Bibliothek können, werde ich mich eben anderweitig umhören.« Ganz sicher würde sie nicht tatenlos warten, bis der Lesesaal wieder für die Öffentlichkeit freigegeben wurde. »Als Erstes werde ich St. Giles aufsuchen, vielleicht gibt es in der Kathedrale ein Archiv, das ich einsehen kann.«
»Solange die Jäger in der Stadt sind, ist das zu gefährlich«, warf Lucian ein.
»Vladimir wird kaum abreisen«, widersprach sie. »Uns bleibt keine andere Wahl, als unsere Nachforschungen unter seinen Augen fortzuführen.«
»Du wirst auf keinen Fall allein gehen!«
»Lucian, bitte. Wenn es für jemanden gefährlich ist, dann für dich.« Wer konnte schon wissen, wie viel die Jäger noch von diesem Lamienkraut hatten. »Keiner der drei wird mir etwas antun, solange sie nicht wissen, wo der Splitter ist.«
»Diese Männer sind nicht dumm, Alexandra. Das solltest gerade du am besten wissen.« Lucian erhob sich und ging zum Fenster. Er schob die Vorhänge ein Stück zur Seite und spähte für einen Augenblick in den trüben Morgen hinaus, ehe er sich ihr wieder zuwandte. »Sie wissen um dieses Haus. Denkst du nicht auch, dass sie früher oder später hierherkommen werden?«
Alexandra starrte ihn entsetzt an. Er hatte recht. Sie selbst hatte den Jägern von Lauriston House berichtet, als es noch der Unterschlupf des Unendlichen war. »Das ist meine Schuld«, sagte sie leise. »Hätte ich nicht …« Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Ein Luftzug ließ sie wieder aufblicken, als Lucian vor ihr stand und nach ihrer Hand griff. Die Szene hatte erschreckende Ähnlichkeit mit den Bildern ihres Albtraums. Jeden Augenblick würde ein Schatten hinter ihm emporwachsen und ihm das Schwarze Kreuz zwischen die Schulterblätter stoßen. Mit dem Splitter im Haus würde Lucian zu Staub zerfallen. Hastig entzog sie ihm ihre Hand.
Lucian kehrte zu seinem Stuhl zurück, blieb jedoch dahinter stehen, die Hände auf die Rückenlehne gestützt. »Wir werden uns ein neues Zuhause suchen.« Sein
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