Die Wiedergeburt
Mittelgangs, hinter der letzten Bankreihe, glaubte sie den Reverend zu erkennen. Er stand halb verborgen hinter einer Säule und schien mit jemandem zu sprechen.
Alexandra huschte in den Schatten einer Säule. Wenn sie sich an der Wand hielt, sollte es ihr gelingen, unbemerkt in die Nähe der Tür zu kommen. Dann brauchte sie nur hinter einer Säule auszuharren, bis der Reverend zum Altar zurückkehrte. Sobald er ihr den Rücken zuwandte, konnte sie die Kathedrale verlassen.
Mit raschen Schritten folgte sie dem Seitengang nach vorne, den Blick auf den Reverend gerichtet. Er wandte ihr den Rücken zu und sprach mit jemandem, den sie nicht sehen konnte. Seine Worte erfüllten als unverständliches Raunen den Altarraum. Langsam ging sie weiter. Auf halbem Weg erhaschte sie einen Blick auf das Gegenüber des Reverends und wäre um ein Haar erstarrt, als sie Vladimir erkannte.
Erschrocken suchte sie Schutz hinter einer Säule und verharrte dort, den Rücken gegen den Stein gepresst, mit angehaltenem Atem. Angespannt lauschte sie, wartete darauf, Schritte oder Schreie zu vernehmen. Doch außer dem gedämpften Murmeln des Reverends war nichts zu hören. Langsam ließ sie den Atem entweichen. Was tat er hier? Warum sprach er mit dem Reverend? Sie konnte die Worte nicht verstehen, doch es hörte sich an, als würde der Geistliche ein Gebet sprechen. Einen Segen? Sie erinnerte sich daran, was Lucian über das Lamienkraut gesagt hatte. Jede einzelne Zutat von einem Priester gesegnet.
Alexandra spähte um die Säule herum. Vladimir hatte den Blick auf etwas in seinen Händen gerichtet. Ich muss warten, bis er fort ist. Lieber wollte sie dem Reverend in die Arme laufen und behaupten, sie habe die ganze Zeit über hier gesessen, als dem Jäger gegenüberzutreten.
Nachdem sie überzeugt war, dass Vladimir sie nicht bemerkt hatte, zog sie den Kopf zurück. Noch immer vernahm sie das sanfte Murmeln des Reverends, gelegentlich unterbrochen von einem leisen Knirschen oder Rascheln, wenn einer der Männer seine Position veränderte. Nicht zu sehen, was hinter ihrem Versteck vor sich ging, machte sie nervös. Was, wenn Vladimir sich in ihrem Rücken heranpirschte? Jeden Moment würde er um die Ecke springen und die Pistole auf sie richten! Unsinn! ,schalt sie sich. Wenn Vladimir seinen Platz verließ, würde sie es hören. Abgesehen davon würde der Reverend sicher seine Segensformeln unterbrechen – zumindest für einen kurzen Moment. Doch der Geistliche sprach noch immer. Keine Gefahr und keine Schwierigkeit. Nur abwarten. Das ist alles. In den vergangenen Jahren hatte es unzählige Augenblicke gegeben, in denen sie genau das getan hatte, damals auf der Jagd nach Vampyren. Dies hier war nichts anderes. Dennoch wollte sich das ungute Gefühl nicht vertreiben lassen.
Auf der anderen Seite der Säule atmete jemand tief durch. Es musste Vladimir gewesen sein, denn der Reverend war noch immer in seine Segensformeln vertieft. Plötzlich unterbrach Vladimirs Stimme das eintönige Flüstern des Geistlichen. »Gehen Sie jetzt, Reverend«, sagte er. »Verlassen Sie den Altarraum.«
Das Rascheln von Stoff war zu hören, und einen Atemzug später erklangen Schritte. Kurz darauf sah sie den Reverend, der mit eigenartig hölzernen Bewegungen durch den Mittelgang schritt. Er bewegt sich wie ein Schlafwandler , dachte Alexandra, als er am Altar vorbeiging und die Kathedrale durch die Tür dahinter verließ. Oder als handle er nicht aus freien Stücken .
»Jägerin!«, erklang Vladimirs Stimme nahe der Säule. »Ich weiß, dass du hier bist. Ich kann dich riechen.«
Seine Stimme hallte durch den Raum, sodass es ihr schwerfiel abzuschätzen, wie weit er noch entfernt war. Sie glaubte, dass er sich links von ihr befand, deshalb wich sie rechts um die Säule herum zurück. Gleichzeitig griff sie unter ihren Mantel und zog ihre Waffe.
In ihrem Rücken erklang ein metallisches Klicken, als Vladimir den Hahn spannte. Alexandra fuhr herum und starrte in den Lauf der Pistole.
Vladimir sog die Luft durch die Nase ein und verzog das Gesicht. »Du stinkst nach ihm !«Das gewohnt grimmige Gesicht war zu einer Fratze verzogen, die Augen schimmerten nicht dunkelgrün, sondern in einer Farbe, die sie im Zwielicht nicht zu erfassen vermochte. Er erinnerte mehr an ein Tier als an einen Jäger.
»Du kannst mich nicht töten«, stieß sie hervor. »Ohne mich wirst du niemals finden, wonach du suchst.«
»Da irrst du dich«, sagte Vladimir und
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