Die Wiederkehr des gefallenen Engels
das Gefühl, dass es sich um einen Mann handelte und er zu ihr hinaufstarrte. Sie konnte seinen Blick spüren. Düster und unheimlich. Unbewusst machte sie einen Schritt zurück, weg vom Fenster, in die Sicherheit des Zimmers hinein.
Wer war da draußen? Wer beobachtete sie?
Ein Klopfen an der Tür ließ Lara herumfahren.
Der Beobachter in der Dunkelheit starrte noch immer zum beleuchteten Fenster hinauf. Dort wo sich seine Beute befand. Nahe, aber doch außerhalb seiner Reichweite.
Er war ihr nahe. So nahe.
Er hob eine Hand, ballte sie zur Faust und biss hinein, um seine Freude nicht herauszubrüllen. Er war glücklich. Sich seiner Einzigartigkeit und Macht bewusst, kniete er nieder und flüsterte einen Namen. Immer und immer wieder.
Asiszaar.
»Hallo.« Damians Haare waren feucht vom fallenden Schnee, sein schwarzer Mantel glänzte durch die Feuchtigkeit und auf seiner Jeans zeigten sich nasse Flecken. Das Wetter da draußen war schlechter, als es von ihrem Fenster aus den Anschein hatte. Seine Schuhe hinterließen Spuren, als er näher kam und vor Lara stehen blieb.
Lara war überrascht, mit allem, mit jedem hätte sie gerechnet, aber nicht mit ihm. Und das machte sie unsicher. Sie kannten sich doch kaum. Warum kam er sie besuchen? Was versprach er sich davon?
»Hi, Damian«, quälte sie heraus. »Es ist schon ganz schön spät, wie bist du denn zu dieser Zeit noch an der Schwester vorbeigekommen?«
»Ach, das ging in Ordnung. Ich habe ihr gesagt, ich bin dein Bruder und jetzt erst von der Arbeit gekommen.«
»Du hast was?« Verblüfft sah sie ihn an, dann lachte Lara schallend. »Dumm bist du jedenfalls nicht.«
Er grinste. »He, ich gehe aufs Gymnasium.«
»Ich weiß«, gluckste Lara, die gerade feststellte, dass sie sich doch über seinen Besuch freute. Das seltsame Gefühl, beobachtet zu werden, ein Gefühl, das sie mehr beunruhigte, als sie gedacht hatte, war durch seine Anwesenheit vollkommen verschwunden.
»Wie geht es dir?«, fragte Damian.
»Ganz gut. Ich bin okay.«
»Ehrlich?«
»Ehrlich!«
Lara blickt auf ihre Armbanduhr. Kurz nach acht und im Krankenhaus war es schon so still wie um Mitternacht. Sie war froh, dass Damian da war. Ohne etwas zu lesen, ohne Fernseher wäre der Abend lang geworden und müde war sie überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil, sie fühlte sich frisch und ausgeruht.
Als sie wieder aufblickte, schaute sie direkt in seine grauen Augen. Etwas blitzte darin auf. Ein silberner Funke, der über die Pupillen wanderte und gleich wieder verschwand, als habe es ihn nie gegeben. Lara blinzelte. Sie musste sich getäuscht haben. Bestimmt hatten seine Augen nur das Licht auf ungewöhnliche Weise reflektiert, denn als sie erneut hinsah, war alles normal.
»Es ist nett von dir, dass du mich besuchst«, sagte Lara, um ein Gespräch in Gang zu bringen. »Setz dich doch.« Sie deutete auf einen Stuhl, selbst nahm sie auf dem Bett Platz, formte das Kissen zu einer Rolle, die sie sich in den Rücken stopfte, und zog die Beine an.
»Danke.«
Er rückte den Stuhl näher ans Bett heran und setzte sich.
»Dein Mantel«, meinte Lara.
»Oh.« Er stand wieder auf, zog den Mantel aus und hängte ihn an einen Haken. Lara entdeckte nun, dass er trotz der Kälte nur ein dünnes weißes Hemd trug.
Er hat einen guten Body, dachte sie. Offensichtlich trug er kein T-Shirt darunter, denn seine Muskulatur zeichnete sich deutlich unter dem Stoff ab. Er war schlank, nicht übertrieben muskulös, aber sehr gut definiert.
Er macht bestimmt regelmäßig Sport. So einen Körper bekommt man nicht geschenkt.
Damian schien ihren Blick bemerkt zu haben, denn er sah an sich herab.
»Ist irgendetwas?«
»Nein«, log Lara und fügte hastig hinzu: »Wie war es noch in der Schule?«
Simone und Jasmin, die beide andere Kurse besuchten, hatten ihr schon davon berichtet, was los gewesen war, aber sie wollte Damian die Chance geben, seine Verlegenheit abzulegen.
»Alles war in heller Aufruhr, als du mit dem Kopf auf den Tisch geknallt bist. Es hat ordentlich ›dong‹ gemacht. Du musst wirklich einen harten Schädel haben, wenn es dir jetzt schon wieder so gut geht.« Er grinste. »Jemand entdeckte, dass wahnsinnig viel Blut aus deiner Nase strömte. Irgendeines der Mädchen, ich kenne ihren Namen noch nicht, schrie auf. Dann herrschte das Chaos. Herr Seher rannte zu deinem Platz, stellte fest, dass du ohnmächtig warst, und hastete zur Tür hinaus. Er hat sofort den Krankenwagen gerufen.«
»Was
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