Die Wiederkehr des gefallenen Engels
Nebeneinganges, als Damian das Gebäude verließ. Regungslos beobachtete er, wie Laras neuer Mitschüler durch den Schnee zur Bushaltestelle stapfte. Er hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass der Fremde etwas Besonderes an sich hatte. Irgendetwas an ihm irritierte Ben. Vielleicht war es die raubtierhafte Art zu gehen, so als berührten seine Füße den Boden nicht, oder es lag an der Tatsache, dass er trotz der Kälte und unzureichender Kleidung nicht zu frieren schien. Mit offenem Hemd und dünnem Ledermantel lief nicht jeder im Schneetreiben herum.
Aber da war noch etwas anderes. Tief im Inneren spürte Ben, dass Damian eine Bedrohung war.
Die Tatsache, dass er dauernd in Laras Nähe auftauchte, ja, sie sogar im Krankenhaus besuchte, ließ ihn mit den Zähnen knirschen.
Noch war es nicht zu einem direkten Zusammentreffen zwischen ihnen gekommen, noch hatte er nicht mit ihm gesprochen, aber bald würde er das Rätsel um den fremden jungen Mann lösen. Ben lächelte.
Sieh dich vor!
12.
Der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee und von warmem, gebackenem Kuchen umhüllte Lara, als sie die Haustür öffnete. Es schneite. Schneeflocken wehten ins Haus und fielen sanft zu Boden. Martha Hermsdorf lächelte Lara an. Ein freudiger Ausruf, dann breitete sie die Arme aus und kam ihrer Enkelin die wenigen Schritte entgegen. Lara ließ sich in die Umarmung sinken. Sie legte ihren Kopf auf die Schulter ihrer Großmutter und sog den Geruch nach Geborgenheit ein, den die alte Dame ausströmte. Sie war nur einen Tag von zu Hause fort gewesen, aber es fühlte sich wie eine Ewigkeit an.
»Komm rein, Kind«, sagte ihre Großmutter und zog Lara mit sich. Sie nahm ihr Schal und Mantel ab, hängte die Sachen an die Garderobe. »Wo ist deine Mutter?«
»Fährt das Auto in die Garage.«
Kaum war der Satz ausgesprochen, tauchte Rachel Winter im Türrahmen auf. Sie stampfte kräftig auf den Fußabtreter, um den Schnee von ihren kniehohen schwarzen Lederstiefeln abzuklopfen.
»Was für ein Wetter«, meinte sie kopfschüttelnd und trat ein. »Ah, hier riecht es aber gut. Hast du gebacken?«
»Das sollte doch eine Überraschung für Lara werden«, empörte sich Martha Hermsdorf.
Lara grinste sie an. »Oma, hier duftet es wie in einer Konditorei, wie willst du da verbergen, dass du einen Kuchen gebacken hast. Was für einer ist es denn?«
»Natürlich dein Lieblingskuchen, Tiroler Nusskuchen.«
»Mit Schokoüberzug?«
»Ja, was dachtest du denn?«, schmunzelte ihre Großmutter zufrieden.
Lara gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Du bist die Beste.«
Martha räusperte sich verlegen. »So jetzt kommt aber rein. Ihr lasst ja die ganze Kälte ins Haus. Lara, du ziehst deine Schuhe aus und dann musst du mir alles erzählen.«
Der Kuchen war zu einem großen Teil aufgegessen. Lara allein hatte drei Stücke verdrückt. Nun hielt sie die dampfende Kaffeetasse in beiden Händen und beendete ihren Bericht über die Ereignisse des letzten Tages. Sie hatte alles genau wiedergegeben, nur den Besuch von Damian hatte sie verschwiegen. Warum, wusste sie selbst nicht. Vielleicht einfach, weil sie keine Lust hatte, Fragen zu seiner Person zu beantworten. Er war ein Klassenkamerad, nicht mehr und nicht weniger.
»Tja und heute Morgen hieß es dann, ich dürfe das Krankenhaus verlassen, solle mich aber sofort melden, wenn Symptome wie Schwindel oder starke Kopfschmerzen auftauchten.«
»Kind, du hast uns wirklich Sorgen gemacht«, sagte ihre Großmutter.
Rachel Winter nickte zustimmend. »Mir sitzt der Schreck immer noch in den Gliedern.« Sie seufzte. »Natürlich werde ich den Floridatrip mit Thorsten absagen. In einer solchen Situation lasse ich dich nicht allein.«
»Was?«, stöhnte Lara entsetzt. »Das meinst du nicht im Ernst.«
»Oh doch.«
»Das kannst du doch nicht machen. Mama, mir geht es wieder gut. Die Ärzte haben gesagt, so etwas komme in meinem Alter schon einmal vor. Es sei doch nur bedenklich, wenn es öfters auftrete. Du darfst Thorsten nicht absagen oder hast du etwa schon …«
»Nein, wir hatten noch keine Gelegenheit, miteinander zu reden, nachdem ich gestern aus dem Büro gestürmt bin. Er hat gestern Abend angerufen und sich nach dir erkundigt, aber da war ich so durch den Wind, dass ich es schlichtweg vergessen habe.«
»Gut«, meinte Lara ernst, setzte ihre Kaffeetasse ab und richtete sich auf. »Mama, du wirst diese Reise machen. Sie ist wichtig für dich und für Thorsten. Wenn du jetzt nicht fliegst,
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