Die Wiederkehr des gefallenen Engels
angesehen. Ich möchte wissen, warum er so seltsame Gefühle in mir weckt.«
Sie verschwieg ihm, wie intensiv diese Gefühle inzwischen waren. Und dass sie nicht nur seltsam waren. Als er das Café betreten hatte, war ein Schauer über ihren Körper gelaufen. Und dann war diese vage Eifersucht, so als hätte sie Ansprüche auf ihn. Dabei war sie sich nicht einmal sicher, ob sie ihn mochte. Er war so eigenartig. So anders als die Jungs, die sie sonst kannte.
»Er weckt also Gefühle in dir«, unterbrach Ben ihre Gedanken. So wie er es sagte, klang es, als sei sie in Damian verliebt. Sie wollte aufbrausend antworten, ermahnte sich aber selbst.
»Ich habe dir gerade erklärt, wie es ist«, sagte sie ruhig.
»Okay, ich hab’s verstanden.«
Aber in seinen Augen sah Lara, dass er noch immer misstrauisch war.
17.
Als Damian das Café verließ, waren Lara und Ben längst in der Dunkelheit verschwunden. Er ging ein Stück die Straße entlang und überlegte, ob er versuchen sollte, Lara wiederzufinden. Weit weg konnte sie noch nicht sein. Mit etwas Glück …
Plötzlich traten sieben Männer aus der Dunkelheit hervor und stellten sich vor ihn. Sie alle trugen normale, dem Wetter angepasste Kleidung. Dicke Mäntel über Jeans. Ihre Füße steckten in schweren Stiefeln, aber keiner von ihnen hatte eine Kopfbedeckung aufgesetzt, sodass sich über alle Schultern goldenes Haar ergoss.
Damian blieb stehen. Wartete. Schließlich trat einer der Männer vor. Gabriel.
»Ich grüße dich, mein Bruder«, sagte er mit sanfter Stimme und Damian erschauerte.
»Sei auch du gegrüßt, Bruder«, antwortete Damian. Er senkte respektvoll den Kopf.
»Sieh mich an«, verlangte Gabriel. Ein gelassener Ausdruck lag auf diesem Gesicht von unvorstellbarer Schönheit. »Du weißt, warum ich hier bin?«
»Ja, ich kann es mir denken.«
»Michael wünscht, dass du diesen Ort, dieses Mädchen verlässt. Er sorgt sich um deine unsterbliche Seele.«
»Das hat er mir bereits gesagt. Und er kennt meine Antwort.«
»Ja«, sagte Gabriel schlicht. Er trat vor, fasste Damian mit beiden Händen an den Schultern. »Du kannst ihr nicht helfen. Diesen Weg muss sie allein gehen, wir sind ihr nahe, um sie zu schützen, bis sie der Ruf der Finsternis erreicht und sie sich entscheiden muss.«
»Ich will bei ihr sein, wenn es so weit ist.«
»Aus dir spricht …«
»Sag es nicht, Gabriel«, flehte Damian.
»… Hochmut und Eitelkeit.«
»Ich liebe sie.« Seine Stimme war leise, aber bestimmt.
»Du sollst alle Menschen lieben, die guten und die schlechten, die gerechten und die ungerechten. Niemals darfst du einen von ihnen über alle anderen erheben, denn sie sind alle Geschöpfe Gottes.«
»Und dennoch kann ich nicht anders.«
Gabriel sah ihn ernst an. Die blauen Engelsaugen leuchteten in der Dunkelheit. Damian fühlte sich mit diesem Mann eng verbunden, der ihm einst ein anderes Leben geschenkt hatte. Aber er spürte, dass sie dabei waren, sich zu verlieren.
»Du wirst sterben. Deine Tage auf Erden sind gezählt. Dein Ungehorsam verschließt dir den Himmel für immer und in die Tiefen der Hölle kannst du nicht mehr hinabsteigen. Du weißt, wir können uns nicht lange in dieser Welt aufhalten, ohne Schaden zu nehmen. Am Ende wirst du im Licht verbrennen.«
»So sei es«, sagte Damian ruhig.
»So muss es nicht sein. Verlass die Welt der Menschen. Jetzt. Kehr in den Himmel zurück, bevor es zu spät ist. Dir wird verziehen werden. Michael liebt dich. ER liebt dich, auch wenn du dich dieser Liebe so lange verweigert hast.«
»Ich kann nicht.«
Damian sank auf die Knie. Er streckte die Arme nach beiden Seiten aus. Seine leeren Handflächen öffneten sich zum Nachthimmel.
»Bitte verzeih mir. Und bitte auch IHN um Vergebung für mich. Aber mein Weg steht fest. Ich kann nicht anders.«
Eine einzelne Träne lief langsam über Gabriels Wange.
»Dann sind wir keine Brüder mehr.«
Gabriel sah ihn noch einmal an. Ein Atemzug verging. Dann wandte er sich um und ging.
Nach wenigen Schritten hatte ihn die Dunkelheit verschluckt.
Nach und nach verschwanden auch die anderen Engel. Schweigend, ohne ein Wort mit ihm zu sprechen. Damian kniete im Schnee. In seiner Seele herrschte Trauer. Trauer um eine gerade erst gewonnene Welt, die für ihn auf immer verloren war.
Er hob den Kopf und sah in die Dunkelheit. Es war Winter. Wohin sein Auge blickte, bedeckte Schnee die Erde und die Häuser. Auch in der Dunkelheit schien der Schnee zu leuchten. Es war
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