Die Wiederkehr des gefallenen Engels
dass sie mit ihrem Wirken Erfolg haben würden. Die dunkle Seite war machtvoll und stark. Er konnte spüren, wie sich die Horden um Lara zusammenzogen und nur auf den richtigen Augenblick warteten, das Mädchen in die Hölle zu schleppen und vor Satans Thron zu werfen. Dann könnte ihr Vater das unbeschreibliche Ritual vollziehen, das seine Macht auf ewig manifestieren würde.
Sowohl in der Hölle wie auch in der Welt der Menschen. Wenn das geschah, würde die sorgsam gehütete göttliche Ordnung zerstört, der alles umspannende Himmel vernichtet werden, denn die Schöpfung lebte in einem sensiblen Gleichgewicht, war einem derartigen Ansturm der Finsternis nicht gewachsen.
Ich darf nicht versagen.
Als eine neue Schmerzenswelle durch seinen Körper tobte, schrie er auf.
Verzweifelt suchte er eine Möglichkeit, wie er den Prozess aufhalten konnte, wenigstens für den Moment. Sein Blick fiel auf die Spitze eines langen, rostigen Nagels, der vor ihm auf dem Boden lag. Er musste die Kontrolle über seinen Körper zurückgewinnen und dieser Nagel war eine Möglichkeit. Er ragte aus einem faulenden Holzbrett hervor. Zehn Zentimeter lang. Der pure Schmerz, aber es würde funktionieren.
Damian zwang all seine Gedanken auf den Nagel. Er brüllte wild auf. Er schleuderte seinen Arm dem Boden entgegen und der Nagel bohrte sich durch die Innenfläche seiner Hand und durch den Handrücken. Sieben Zentimeter weit ragte er hervor. Die bisherigen Schmerzen wurden durch neue, noch unerträglichere Schmerzen abgelöst, aber Damian lächelte. Er hatte gerade einen Finger bewegt.
Dann fiel er in Ohnmacht.
Aus dem Schatten des Holzdaches sank langsam eine Gestalt zu Boden. Die weit ausgebreiteten weißen Schwingen rauschten, als Gabriel landete und sich neben Damian kniete. Er hatte den Krieger beobachtet, mit ihm gelitten und seinen Kampf mit angesehen.
Du solltest mein Feind sein, aber ich kann nicht anders, als dich zu lieben. Du bist tapfer. Ein wahrer Krieger. Und dennoch muss ich zusehen, wie du vergehst. Wie ein Tautropfen im Licht der Morgensonne wirst du entschwinden. Dein Name wird nicht mehr genannt werden, denn alle vergessen dich, sobald das Licht in dir erlöscht. Niemand wird dein Lied singen, von deiner Tapferkeit berichten, von dem großen Kampf, den du geführt hast. Du liebst ein Mädchen und diese Liebe ist dein Tod.
Wenn es so weit ist, werde ich deinen Namen flüstern, damit der Wind ihn in die Unendlichkeit hinaustragen kann.
Gabriel streckte seinen Arm aus und strich zärtlich eine Haarsträhne aus Damians Gesicht.
Ich sagte, du wirst mein Feind sein, aber ich liebe dich wie einen Bruder. So wie Arias, der durch deine Hand zu Boden geworfen wurde und verging.
Auch du wirst auf Flammenzungen in die Nacht reisen.
Aber noch nicht.
Nein, noch nicht.
Der Engel berührte Damians Stirn und schloss die Augen. Er konzentrierte sich in einem Gebet und sandte dem gefallenen Engel Liebe und Kraft.
Damian würde weiterleben.
Wenigstens für kurze Zeit. Und die Schmerzen würden erträglich sein.
Gabriel erhob sich.
Mehr konnte er nicht tun.
Als Damian erwachte, wusste er nicht, wie viel Zeit vergangen war. Draußen vor der Scheune strahlte die Sonne von einem blauen Himmel herab, über den langsam zerrissene Wolken zogen.
Er fühlte sich schwach und schwankte, als er ins Tageslicht trat und mit geschlossenen Augen sein Gesicht dem Himmel zuwandte.
Die Schmerzen hatten nachgelassen, waren nur noch eine Warnung, die im Hintergrund vibrierte, und er wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn wieder übermannen würden.
Als Engel, als ein geistiges Wesen, war er in diese Welt gekommen. Der Körper, den sein Geist erschaffen hatte, war unaufhaltsam Veränderungen unterworfen. Der Schöpfer aller Dinge hatte es so eingerichtet, dass die sterblichen Hüllen vergingen, schneller, als es bei den Menschen der Fall war. So war gewährleistet, dass Engel und ihre gefallenen Brüder nicht allzu lange in dieser Welt bleiben konnten und die Erde zum Schlachtfeld ihres immerwährenden Kampfes machten.
Im Gegensatz zu allen anderen Kriegern des Lichts konnte er nicht mehr zurück in den Himmel und sich erholen. Seine Verweigerung gegenüber Michael schloss eine Rückkehr aus und so würde seine Seele mit diesem Körper vergehen.
Es gab hier auf Erden keine Zukunft für ihn, aber er musste durchhalten, so lange er konnte, um Lara zu schützen, bis der 6 666. Tag ihres Lebens überstanden war.
Damian
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