Die Wiederkehr des gefallenen Engels
wieder in die Nacht hinaus. Danas bat er zu bleiben.
Als die anderen gegangen waren, setzte sich Gabriel mit gekreuzten Beinen auf den kalten Betonboden und lud Danas mit einer Handbewegung ein, es ihm gleichzutun.
Sie saßen sich gegenüber. Schweigend. Und sahen einander an.
»Ich weiß, was du fühlst«, sagte Gabriel.
Danas schwieg.
»Du fieberst dem Kampf entgegen. Damians Auseinandersetzung mit dem Dämon hat dich erregt und nun sehnst du dich danach, dich ebenfalls im Kampf zu messen. Ist es nicht so?«
»Ja«, antwortete Danas. »Ich möchte den Auftrag des Herrn erfüllen.«
»Du dienst IHM auf vielfältige Weise, nicht immer ist das Schwert die richtige Wahl. ER stellt dich an einen Platz und erwartet, dass du klug und besonnen handelst. Ich erwarte dies ebenso.«
»Es ist nichts geschehen, was dir missfallen könnte.«
Gabriel ging nicht darauf ein. »Warum warst du dort? Warum hast du Damians Nähe gesucht? Er gehört nicht zu unserer Gemeinschaft, denn er hat sich selbst davon ausgeschlossen. Er dient seinen eigenen Wünschen und Zielen, wir aber dem Schöpfer aller Dinge. Warum also folgst du einem Mann, der sich von uns abgewandt hat?«
Gabriel las die reine Wahrheit in Danas Augen.
»Du bewunderst ihn. Ist es nicht so?«
»Ja, Gabriel. Er kämpft für das, was er liebt. Unbeirrbar.«
»Du hörtest, was ich zu ihm sagte, als ich ihn bat, auf den rechten Weg zurückzukehren.«
Danas nickte.
»Er dient nicht mehr dem Herrn, sondern nur noch sich selbst. Stellt sich über andere.«
»Nein, so ist es nicht«, erklärte Danas ruhig. »Er ist hier, um Lara zu beschützen, und dafür riskiert er alles, sogar seine unsterbliche Seele.«
»Es ist unsere Aufgabe, über sie zu wachen, nicht seine.«
»Dennoch …«
»Nein«, unterbrach ihn Gabriel hart. »Es gibt kein ›Dennoch‹. Wir dienen Gott allein und so, wie es IHM gefällt. Ohne zu zögern oder zu verzagen. Es ist SEIN Wille, der über allem steht.«
»Das weiß ich, Gabriel. Ich habe es nicht vergessen, aber vielleicht gibt es mehrere Möglichkeiten, IHM zu dienen. Jeder auf seine Weise, an seinem Ort.«
Ja, die gibt es, dachte Gabriel. Aber dann wären wir keine Engel mehr, sondern Menschen. Wer schützt die Welt, wenn auch wir zweifeln? Ich verstehe dich so gut, Danas, aber ich kann nicht zulassen, dass du die Wünsche des Herrn hinterfragst oder versuchst, sie zu deuten. ER ist die Vollkommenheit und alles, was er tut, tut er zum Besten der Schöpfung. Wende dich nicht ab, mein Bruder.
»Aus dir spricht Eitelkeit«, sagte Gabriel. »Hochmut wird dieser Eitelkeit folgen. Dann wirst auch du deinen Willen über den Willen des Herrn stellen.«
Danas zuckte zusammen. Sein Gesicht hatte einen erschrockenen Ausdruck angenommen. »Nein, Gabriel. Nein. Das wird niemals geschehen. Bitte glaube mir und zweifele nicht.«
Gabriel erhob sich langsam. Er legte eine Hand flach auf Danas’ Haupt. Leise sprach er: »Ich glaube an dich. Aber du musst stark sein und aller Verlockung widerstehen. Bitte IHN um die Kraft, die du dafür brauchst.«
Gabriels Konturen lösten sich auf. Ein kurzes Flirren, dann war er verschwunden.
Und Danas war allein.
Durch die Ritzen des unbewohnten Hauses pfiff der Wind herein, spielte mit Danas’ langen Haaren, aber er bemerkte es nicht. Tief in sich selbst versunken, kniete er mit geschlossenen Augen auf dem Boden.
Hatte Gabriel recht mit dem, was er sagte? Er liebte Gabriel, wie sie es alle taten, aber er sah auch, dass die Last der Verantwortung seine Schultern niederdrückte. Aus Angst, das Falsche zu tun, handelte Gabriel überhaupt nicht mehr.
Danas dachte an Damian, an den großartigen Kampf, dessen Zeuge er gewesen war. So sollten Engel handeln. Die Herausforderung annehmen und das Böse bekämpfen, nicht darauf warten, dass die andere Seite den ersten Schritt tat, um dann nur noch reagieren zu können.
Danas kannte Arias’ Geschichte. Man sagte, sie seien sich ähnlich, und vielleicht war dem auch so, aber Arias war tot, vergangen.
Ich bin hier, dachte Danas. Und ich will handeln. Gott der Herr hat mir nicht diesen freien Geist gegeben, um zu verzagen. Ich spüre seinen Willen tief in mir drin. Ich spüre ihn in jedem Atemzug, im Klopfen des Herzens in meiner Brust.
Gabriel, ich verstehe dich, aber dein Weg ist nicht meiner. Bitte verzeih mir.
Danas streckte beide Hände dem Boden entgegen. Seine Finger tanzten über den Steinboden, als er in der uralten Schrift der Engel sein
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