Die Wiederkehr des gefallenen Engels
seinen Blick in ihrem Rücken spüren, als sie mit Ben zum Ausgang ging.
Als sie gegangen waren, sah Sam noch immer zur Tür. Lara. Er war von diesem Mädchen wie verzaubert. Sie löste etwas in ihm aus, wenn er in ihrer Nähe war.
Es war … es war … wie heimkommen. In ein Zuhause, das man noch nicht kennt, aber von dem man weiß, dass es zu einem gehört.
Er lauschte in sich hinein. Hörte ihre Stimme, wie sie sagte: »Wir sind alle Regentropfen.«
Ja, das sind wir, aber zwischen dir und mir ist es anders, ich kenne dich, ich weiß nicht, woher, aber ich kenne dich.
Sein Blick wanderte durch den Raum. Marc und Jessi waren noch nicht wieder zurückgekehrt, Mona auch irgendwohin verschwunden. Sie ging ihre eigenen Wege, ebenso wie er. Bisher hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt, und das kam ihm gelegen, er mochte sie nicht. Er nahm seine Flasche und leerte den restlichen Inhalt in einem Zug. Sam sah sich nach dem Wirt um, konnte ihn aber nicht entdecken. Gern hätte er noch ein Bier getrunken, aber er war allein.
Und dann drängten sie erneut heran.
Fragen. Fragen, die ihn quälten.
Er schloss die Augen. Sah in sich hinein, versuchte, die auftauchenden Bilder zu fassen, aber es gelang ihm nicht. Wie Lichtstreifen huschten sie vorüber, blitzten in seinem Geist auf, ohne dass er verstand, woher diese Bilder kamen und was sie zu bedeuten hatten.
Da war ein Haus. Mit schwarzen Schindeln. Feucht vom Regen. Eine fremde Stadt und doch so vertraut. Das Gesicht einer Frau mit grauen Haaren stieg aus der Dunkelheit auf und verschwand wieder.
Wann habe ich all das gesehen?, fragte er sich.
Er gab sich ganz den Bildern hin, aber er fand keine Antworten.
Sam schlug die Augen auf.
Warum bin ich hier?, fragte er sich.
Woher komme ich?
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als der Besitzer des Ladens an seinem Tisch auftauchte und abkassierte. Sam erhob sich langsam. Noch einmal ließ er den Blick durch den Raum schweifen. Ohne Menschen, ihre Gespräche und Lachen waren es nur Möbel. Tische, Stühle, eine Theke. Mehr nicht.
Er schlüpfte in seinen dicken Mantel und wickelte einen Schal um den Hals. Handschuhe und Mütze hatte er nicht, wollte er auch nicht.
Es war schön, den Schnee zu spüren, wie er auf einen herabfiel.
Wie Regentropfen.
Nur dass ihr Flug länger dauerte.
Das Geräusch des Motors erstarb mit einem Glucksen. Kurz hörte man noch das Ticken der abkühlenden Zylinder, dann herrschte Stille im Inneren des großen Jeeps.
Sie standen vor Laras Haus, etwas abseits der Einfahrt. Ein fahler, von Wolken umgebener Mond schien auf das Haus herab. Drinnen brannte kein Licht mehr. Ihre Mutter und ihre Oma waren zu Bett gegangen.
Es war angenehm warm. Lara hatte Mantel, Schal und Mütze abgelegt. Sie spürte, wie die Hitze in ihre Wangen stieg, ohne zu wissen, ob sie von der Wärme aus dem Fahrzeuggebläse oder der Tatsache herrührte, dass Ben sie wahrscheinlich gleich küssen würde. Sie blickte zu ihm hinüber.
Im bläulichen Licht der Armaturenbeleuchtung sah Ben beinahe gespenstisch aus. Aber irgendwie auch erhaben. Schatten fielen auf sein Gesicht, ließen ihn sehr männlich wirken. Seine Lippen waren leicht geöffnet.
Ich mag dich, dachte Lara. Ich mag dich wirklich sehr und ich finde dich sexy. Sie seufzte unhörbar. Aber reicht das? Sollte es nicht Liebe sein?
Ich muss ihm Zeit geben.
Und mir.
Er wandte sich ihr zu. Dann beugte er sich zu ihr hinüber. Sie kam ihm entgegen und ihre Lippen fanden sich zu einem langen Kuss. Seine Hände begannen eine Reise. Strichen zunächst sanft über ihr Haar, folgten dem Hals, fuhren ihren Körper hinab und schoben sich unter ihren Pullover. Sie spürte, wie er ihr Unterhemd hochzog, dann legten sich seine Finger auf ihren Bauch, streichelten die zarte Haut so sanft, dass sie eine Gänsehaut bekam, und erschauerte. Sein Kuss wurde intensiver, leidenschaftlicher, aber Lara hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie löste sich von ihm, wich zurück und drückte sich in ihren Sitz.
»Was ist?«, fragte Ben leise. »War ich zu grob?«
»Nein, nein«, erwiderte Lara hastig. »Es war toll. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Plötzlich hatte ich das Gefühl, nicht mehr atmen zu können.«
Seine Augen lagen im Schatten, sodass Lara seine Reaktion nicht sehen konnte. Er schwieg.
Dann sagte er: »Was ist eigentlich los mit dir? Immer wenn ich dir nahe komme, weichst du zurück. Ich fordere und verlange nichts,
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