Die Wiederkehr des gefallenen Engels
Sommertag.
Lara gab sich den Gedanken an ihn hin.
Dann schlief sie ein.
Gabriel hatte sich im Schatten einer Garagenwand verborgen und beobachtete seit geraumer Zeit den Dämon, der um Laras Haus strich. Es war ein Golem, sieben Fuß hoch, mit bulligem Körper und Hörnern, die aus seinem Schädel ragten. Er sah, wie das Monster stehen blieb, den Kopf in den Nacken legte und witterte. Er wusste, von dem Biest ging keine Gefahr für Lara aus, er war lediglich ein Wächter, der verhindern sollte, dass jemand Lara angriff oder entführte. Diese Art von Dämonen waren nur zu begrenztem Denken fähig, sie gehorchten ausschließlich den Befehlen ihres Herrn. Aber wo war dieser unbekannte Führer? Er hielt sich verborgen wie ein Geist in der Nacht, zog unerkannt an den Fäden und brachte seine Figuren für den entscheidenden Schlag ins Spiel.
War bereits ein dunkler Engel aus der Hölle aufgetaucht, den Satan gesandt hatte, Lara zu ihm zu bringen?
Gabriel konnte es nur vermuten, aber wo verbarg er sich? In welcher Gestalt wandelte er unter den Menschen? Sie würden ihn nicht erkennen. Es konnte jeder sein. Ein alter Mann, gebeugt von der Last des Lebens, eine junge Frau, blühend und scheinbar voller Liebe. Ebenso gut konnte er sich im Körper eines Kindes verbergen. Gefallene Engel verfügten über nahezu die gleiche Macht wie die Krieger des Lichts. Hinzu kamen ihre Fähigkeiten im Kampf, die sie zu gefährlichen Gegnern machten. Gabriel hatte gegen sie gekämpft. In dieser und in anderen Welten, er hatte überlebt, aber der Sieg war nie einfach gewesen. Umso wichtiger war es, seine Gefährten mit sicherer Hand zu führen, sie zurückzuhalten, wenn der Ruhm des Kampfes sie lockte. Aber er musste ihnen auch Zuversicht und Glauben an den Auftrag des Herrn geben.
Seine Gedanken wanderten wie so oft zu Danas. Er seufzte.
Du bist Arias so ähnlich. Die gleiche Ungeduld brennt in dir und ich kann fühlen, wie du dich danach sehnst, dem Herrn im Kampf zu dienen, aber noch ist es nicht so weit.
Gabriel schloss die Augen und betete für den jungen Krieger, betete darum, dass Danas die Kraft in sich fand, der Versuchung zu widerstehen.
Als er die Lider wieder aufschlug, erkannte er, dass sein Gebet sinnlos gewesen war.
Ein goldener Pfeil aus reinem Licht jagte durch die Nacht und bohrte sich tief in den Hals des Dämons. Das Monster griff brüllend mit beiden Pranken nach der tödlichen Waffe, aber es war bereits zu spät. Mit einem Ächzen, das sich zwischen den Häuserwänden verlor, verging es in einer Feuersäule.
Gabriel wirbelte herum, aber er sah nur einen sich auflösenden Schatten.
Danas hatte soeben einen weiteren Krieg begonnen, der zu diesem Zeitpunkt weitaus gefährlicher war als all die anderen Schlachten, die sie bereits gegen die Hölle geführt hatten.
26.
Damian stand in der Nähe der Schule und blickte die Straße entlang. Der Himmel zeigte sich in einem blassen Grau wie an so vielen Tagen in diesem Winter. Irgendwo mochte die Sonne aufgegangen sein, aber ihre Strahlen konnten die tief hängenden Wolken nicht durchdringen, nur das Grau ein wenig aufhellen. Heute war es nicht ganz so bitterkalt, ein Zeichen dafür, dass es möglicherweise bald wieder schneien würde. Trotzdem trugen die Kinder, die an ihm vorbeigingen, dicke Mäntel, Stiefel und Wollmützen. Die Farben der Kleidung, Schwarz und Grau, passten zur Stimmung an diesem Morgen. Da entdeckte er Lara und ein Lächeln wanderte über sein Gesicht. Sie trug einen roten Mantel, den man schon von Weitem ausmachen konnte. Keine Mütze. Ihr offenes Haar fiel ihr locker über die Schultern, bewegte sich bei jedem Schritt wie eine sanfte Meeresbrandung. Ihr Gesicht war zart gerötet, ein Tribut an die Kälte, aber sie ging beschwingt, als wäre der Sommer zurückgekehrt.
Damians Herz krampfte sich bei diesem Anblick schmerzhaft zusammen. Er versuchte, eine gelassene Miene aufzusetzen, aber so ganz wollte ihm das nicht gelingen, denn er spürte, wie er den Mund verzog und die Zähne bleckte.
Dann war sie heran. Stand vor ihm. Ein Manifest all seiner Sehnsüchte. Und sie hatte nicht die geringste Ahnung.
»Wartest du auf jemanden?«, fragte Lara.
»Ja«, gestand er leise. »Auf dich.«
Sie zögerte, sagte aber dann: »Schön. Wollen wir zusammen ins Klassenzimmer gehen?«
Er nickte.
Sie passierten den Eingang der Schule und stiegen die Treppe hinauf in den zweiten Stock. Auf dem Treppenabsatz blieb Lara plötzlich stehen und sah ihn
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