Die Wiederkehr des gefallenen Engels
wurde besser. Als er aufsah, blickte er Lara direkt in die Augen.
»Du hast Schmerzen«, stellte sie unumwunden fest.
Die Zeit der Ausflüchte war vorbei. Er musste ihr die Wahrheit sagen. Sie würde es merken, wenn er log.
»Ja.«
»Wie schlimm ist es? Und komm erst gar nicht auf Idee, mich anzulügen.«
Wie viel kann ich ihr sagen?, grübelte er. Nicht alles. Auf keinen Fall.
»Engel können nicht lange in der Welt der Menschen bleiben, ohne Schaden zu nehmen«, erklärte er.
»Ja«, sagte Lara. »Ich erinnere mich, du hast mir in Berlin davon erzählt. Aus irgendeinem Grund habe ich nicht mehr daran gedacht.« Sie fuhr sich durch das Haar. »Wie schlimm ist es und was können wir dagegen tun?«
»Es geht. Nicht allzu schlimm.«
»Ich sagte, du sollst mich nicht anlügen.«
»Wirklich, es geht. Ich habe Schmerzen, aber sie sind erträglich.«
»Die Frage ist, wie lange noch, oder?«
Er quälte ein Lächeln auf seine Lippen. »Noch eine ganze Weile. Unser Vorhaben ist dadurch nicht gefährdet.«
»Und dann?«
Er zögerte, wog jedes Wort ab. »Muss ich zurück in den Himmel.« Dass ihm dieser Weg verwehrt war, verschwieg er.
Lara ließ sich mit der Antwort Zeit. Dann sagte sie: »Du verlässt mich. Für immer.«
»Nein, nicht für immer. Ich werde wiederkehren.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Ich bin schon einmal zu dir zurückgekommen.«
In ihren Augen schimmerten Tränen. »Ja, aber wer sagt mir, dass es wieder so sein wird?«
»Ich sage es dir. Du kannst mir vertrauen. Ich liebe dich.«
Und darum muss ich dich belügen. Auch wenn es meine Seele schmerzt.
Ihre Hand fasste nach seiner. »Ich liebe dich auch. Versprich mir nur eines.«
»Was immer du willst.«
»Lass mich nicht allein, wenn ich meinem Vater gegenübertrete.«
»Ich bin bei dir. Ich verspreche es.«
Vielleicht kann sie mir diese Lügen eines Tages verzeihen. Ich hoffe darauf, etwas anderes bleibt mir nicht mehr.
Lara erhob sich.
»Wir müssen los. Uns ein Hotel suchen. Dort kannst du dich ausruhen.«
Sie riefen die Bedienung und bezahlten.
Als sie das Café verließen, blitzte ein zaghaftes Blau durch die tief hängenden Wolken. Die ersten noch schwachen Sonnenstrahlen wanderten über die Häuser. Es war ein Anblick, der Hoffnung machte.
Gabriel stand in Menschengestalt unweit des Cafés und beobachtete Lara und Damian, wie sie langsam die Straße entlanggingen. Zwei einsame Gestalten, die verloren in dieser großen Stadt wirkten. Der Engel und das Mädchen. Er lächelte wehmütig. In seinem Herzen war er bei ihnen.
Ihm blieb nicht verborgen, dass Damian begonnen hatte, leicht zu hinken. Nur schwer zu erkennen, zog er das linke Bein ein wenig nach. Der Verfall hatte begonnen. Wenn Damian nicht bald in den Himmel zurückkehrte, würde er vergehen.
Aber genau dahin kannst und willst du nicht gehen, mein Bruder.
Tief drinnen bewunderte er Damian für seine Entschlossenheit. Und für seine Fähigkeit zu lieben. Wie ein Mensch einen anderen Menschen zu lieben. Etwas, das ihm auf immer verwehrt bleiben würde. Er war nicht traurig deswegen. Seine Liebe gehörte allen Menschen und dem Schöpfer aller Dinge. Im Namen des Herrn wandelte er von Zeit zu Zeit über die Erde, schützte die Menschen und bewunderte sie. Sie waren sterblich, vergingen wie Schneeflocken im Sonnenschein, aber sie zerbrachen nicht daran. In der kurzen Spanne ihres Daseins kämpften und liebten sie, zeugten Kinder und zogen sie groß. Auf jede Generation folgte eine neue und immer waren die Menschen bestrebt, dass es ihren Kindern besser ging als ihnen selbst.
Diese selbstlose Liebe macht sie uns ähnlich. Es ist der göttliche Funke in ihnen, der leuchtet, wenn sie lieben.
Und dennoch erschufen Menschen Böses, herrschten mit Gewalt und Schmerzen.
Wie die dunklen Brüder tief in der Hölle. Letztendlich tragen sie beide Seiten in sich und können frei wählen, welchen Weg sie einschlagen. Gut oder Böse. Es liegt in ihrer Hand. Gott hat ihnen die Möglichkeit gegeben zu wählen, und diese Möglichkeit ist unendlich kostbar.
Er dachte an Damian. Ein gefallener Bruder, der zum Licht zurückgefunden hatte. Er hatte auch gewählt und die Liebe zu diesem Mädchen hatte ihn ins Licht geführt. Doch nun bezahlte er den Preis für seine Liebe und Gabriel bewunderte ihn dafür, mit welcher Entschlossenheit und welchem Mut er sich seinem Schicksal stellte.
Neben ihn trat Danas. Auch er blickte die Straße entlang.
»Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Was
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