Die Wiederkehr des gefallenen Engels
sollen wir tun?«
Gabriel sah ihn an. »Wir bleiben in ihrer Nähe, aber wir handeln nicht. Unsere Aufgabe ist es, Lara zu schützen, aber sie hat ihr Schicksal, dem sie morgen Nacht begegnen wird. Es steht uns nicht zu, den Lauf der Dinge zu bestimmen. Sie allein kann das.«
»Eine große Last für einen so jungen Menschen.«
»Ja, das ist es, aber mein Herz ist voller Hoffnung.« Er schaute Danas direkt an. Noch immer war das Gesicht des Engels gezeichnet und vielleicht würden die Linien, die sich in sein Gesicht gegraben hatten, auch niemals vergehen. Seit seiner Wiederkehr war Danas schweigsam und zurückhaltend. Er sprach nicht über das, was er getan hatte, und vielleicht war es auch besser so. Aber trotz Danas’ sanfter Art war seine Entschlossenheit zu spüren, Damian und das Mädchen zu schützen. Gabriel spürte, dass es ihm dabei nicht um Ruhm oder Stolz ging. Danas hatte eine Schuld zu begleichen und er würde nicht ruhen, bis sie beglichen war.
»Wo sind die anderen?«, fragte Gabriel.
Danas deutete unauffällig die Straße entlang. »In den Seitengassen. Ich habe die Krieger rund um das Café herum verteilt. Sie sind geschützt.« Er runzelte die Stirn. »Im Augenblick zumindest.«
»Gibt es etwas Neues von unseren gefallenen Brüdern oder diesem Ben zu berichten?«
»Die dunklen Engel sind am Bahnhof aufgetaucht. Wahrscheinlich wollten sie Lara und Damian dort abfangen, aber sie haben nicht gesehen, wie die beiden den Bahnhof verließen. Marial war in der Nähe, als Ben und der weibliche Dämon dort ebenfalls eintrafen und sich mit den Höllenkriegern besprachen. Er konnte nicht hören, was gesprochen wurde, aber er glaubt, dass sie sich gemeinsam auf die Suche nach dem Mädchen machen.« Er lächelte. »Berlin ist groß.«
Gabriel blickte ihn an. »Vielleicht nicht groß genug. In Berlin leben unzählige Dämonen. Dämonen, die sie unter ihren Einfluss bringen können. Dann haben sie Augen und Ohren überall in der Stadt.«
»Was sollen wir tun?«, fragte Danas.
»Wir folgen Lara und Damian unauffällig. Bleiben stets in ihrer Nähe und greifen ein, wenn es nötig ist.«
Gabriel sah, wie Danas’ Mundwinkel zu zucken begann.
»Dann werden wir kämpfen«, stellte der Krieger fest.
»Ja. Was fühlst du bei diesem Gedanken, mein Bruder?«
Danas wusste, dass er geprüft wurde.
»Weder Freude noch Trauer. Nur den Schmerz.«
»Welchen Schmerz?«, wollte Gabriel wissen.
»Den eigenen und den des anderen. Alles Leben ist kostbar und auch das Böse hat seinen Sinn.«
Gabriel trat einen Schritt näher und legte dem Engel die Hand auf die Schulter.
»Wenn es zum Kampf kommt, möchte ich, dass du die Krieger anführst.«
Danas sank auf die Knie. »Das habe ich nicht verdient, Gabriel. Nicht nach dem, was ich getan habe. Nimm einen anderen. Jarael vielleicht, er …«
»Nein«, unterbrach ihn Gabriel. »Ich wähle dich.«
»Aber warum? Ich habe dich enttäuscht.«
»Du kennst das Leid, das mit jedem Kampf verbunden ist. Darum wirst du nicht um des Tötens willen kämpfen. Du wirst deine Brüder schützen. Sie alle fiebern dem Kampf entgegen, du nicht. Darum sollst du es sein.«
Gabriel blickte sich um, aber keine Menschenseele war zu sehen. »Und jetzt bitte steh auf, bevor noch jemand denkt, du machst mir einen Heiratsantrag.«
42. – 14.30 Uhr
Sie waren zwei Kilometer weit gelaufen, als sie in einer Seitenstraße ein kleines Hotel entdeckten, das schon bessere Tage gesehen hatte. Der Putz und die Farbe blätterten von den ehemals gelb gestrichenen Wänden. Trübe Fenster blickten auf die Gasse hinaus.
Alte Post stand über dem Eingang. Hotel. Übernachtungen ab 49 EUR inkl. Frühstück.
Genau richtig, dachte Lara. Das Haus wirkte etwas verfallen, aber nicht abbruchreif. Der Preis deutete darauf hin, dass der Besitzer wusste, dass er selbst in Berlin nicht zu viel für eine Übernachtung verlangen durfte. Gleichzeitig war er nicht so günstig, wie es nur ganz billige Absteigen anbieten würden.
»Das könnte das Richtige sein«, sagte Lara. »Lass uns hineingehen und ein Zimmer mieten.«
Damian nickte.
Sie legte die Hand auf die verfärbte Messingklinke und drückte sie hinab. Überraschenderweise öffnete sich die schwere Holztür nahezu geräuschlos. Das machte Hoffnung. Die Einrichtung war zwar alt, wurde aber offensichtlich gepflegt. Sie betraten einen kleinen Vorraum, der als Rezeption diente. Ein roter abgelaufener Teppich führte sie zu einer massiven Holztheke aus dunkel
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