Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
die wir als mögliche Mitspieler in diesem Drama namhaft gemacht haben, und er kommt ausgerechnet während der Stunden ums Leben, von denen wir wissen, daß sich in ihnen das Drama abgespielt hat. Alles steht dagegen, daß es sich um einen Zufall handelt. Nein, mein lieber Watson, die beiden Ereignisse hängen zusammen – müssen zusammenhängen! An uns ist es jetzt, herauszufinden, worin der Zusammenhang besteht.«
»Aber die Polizei muß doch inzwischen alles wissen.«
»Nicht im mindesten. Sie wissen alles, was sie in der Godolphin Street vorgefunden haben. Sie wissen nichts – und sollen nichts wissen – von Whitehall Terrace. Nur wir kennen beide Ereignisse und können die Beziehung zwischen den beiden verfolgen. Es gibt da einen Umstand, der meinen Verdacht ohnehin auf Lucas gelenkt hätte. Die Godolphin Street liegt in Westminster, nur ein paar Minuten Fußweg von Whitehall Terrace entfernt. Die beiden anderen Geheimagenten, von denen ich gesprochen habe, wohnen im äußersten West End. So war es für Lucas einfacher als für die anderen, eine Verbindung mit dem Hause des Staatssekretärs für europäische Angelegenheiten herzustellen oder eine Botschaft zu erhalten – ein kleiner Anhaltspunkt, und doch kann sich das in einem Fall, bei dem die Geschehnisse auf ein paar Stunden komprimiert sind, als wesentlich herausstellen. Aber, hallo, was haben wir denn hier!«
Mrs. Hudson war eingetreten und trug die Visitenkarte einer Dame auf dem Tablett. Holmes warf einen Blick darauf, zog die Brauen hoch und gab sie mir.
»Bitten Sie Lady Hilda Trelawney Hope herein«, sagte er.
Einen Augenblick später wurde unser bescheidenes Heim, dem an diesem Morgen schon einmal eine solche Auszeichnung widerfahren war, durch den Eintritt der reizendsten Frau Londons noch mehr geehrt. Ich hatte schon viel von der Schön heit der Tochter des Duke of Belminster gehört, aber durch keine Beschreibung und keine Betrachtung der farblosen photographischen Abbildungen fand ich mich auf den feinen, köstlichen Charme und den herrlichen Teint des erlesenen Gesichts vorbereitet. Und doch war es an diesem Herbstmorgen nicht vorrangig die Schönheit, die uns beeindruckte. Die Wange war lieblich, aber von innerer Bewegung bleich; die Augen glänzten, aber es war der Glanz des Fiebers; der sensible Mund war zusammengepreßt und schmal in der Bemühung, Selbstbeherrschung zu gewinnen. Angst, nicht Schönheit fiel ins Auge, als unsere hübsche Besucherin für einen Moment in der geöffneten Tür stand.
»War mein Gatte hier, Mr. Holmes?«
»Ja, Madame, er ist hiergewesen.«
»Ich flehe Sie an, Mr. Holmes, sagen Sie ihm nicht, daß ich gekommen bin.«
Holmes verbeugte sich kühl und bot der Dame einen Sessel an.
»Sie bringen mich in eine heikle Lage, Eure Ladyschaft. Setzen Sie sich bitte und sagen Sie mir, was Sie wünschen; aber ich fürchte, ich kann Ihnen nicht bedingungslos Versprechungen machen.«
Sie rauschte durchs Zimmer und setzte sich mit dem Rücken zum Fenster. Sie war eine königliche Erscheinung: groß, anmutig und sehr weiblich.
»Mr. Holmes«, sagte sie, und ihre Hände in weißen Handschuhen verkrampften und entkrampften sich, als sie weitersprach, »ich werde offen zu Ihnen sein, in der Hoffnung, daß Sie das bewegt, auch offen zu mir zu sein. Zwischen meinem Gatten und mir herrscht ein absolutes Vertrauensverhältnis, mit einer Ausnahme. Und dies ist die Politik. In der Beziehung ist sein Mund versiegelt. Er erzählt mir nichts. Nun, ich bin mir bewußt, daß sich gestern abend in unserem Haus etwas höchst Bedauerliches zugetragen hat. Ich weiß, daß ein Papier verschwunden ist. Aber weil es sich um eine politische Angelegenheit handelt, weigert sich mein Gatte, mich voll ins Vertrauen zu ziehen. Es ist aber wesentlich – wesentlich, sage ich –, daß ich voll und ganz ins Bild gesetzt werde. Sie sind die einzige Person, die außer den Politikern den wahren Sachverhalt kennt. Ich bitte Sie, Mr. Holmes, mir genau zu sagen, was vorgefallen ist und was daraus entstehen kann. Erzählen Sie mir alles, Mr. Holmes. Schweigen Sie nicht aus Rücksichtnahme gegen Ihren Klienten, denn ich versichere Ihnen, daß seinem Interesse – wenn er es nur erkennen wollte – am besten gedient wäre, wenn er mich ganz ins Vertrauen zöge. Was für ein Papier war es, das da gestohlen worden ist?«
»Madame, was Sie von mir verlangen, kann ich unmöglich erfüllen.«
Sie
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