Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
bloß, Sie sind mit dem Ding durch London spaziert.«
»Ich fuhr zum Metzger und wieder zurück.«
»Zum Metzger?«
»Und jetzt habe ich einen ausgezeichneten Appetit. Der Wert körperlicher Übung vorm Frühstück, mein lieber Watson, steht außer aller Frage. Aber ich könnte wetten, daß Sie nicht erraten, welcher Art meine Übung war.«
»Ich werde es erst gar nicht versuchen.«
Kichernd goß er sich den Kaffee ein.
»Hätten Sie einen Blick in die hinteren Ladenräume von Allardyce werfen können, dann wären Sie eines toten Schweins ansichtig geworden, das an einem Haken von der Decke herunterhing, und davor eines Gentlemans in Hemdsärmeln, der mit dieser Waffe wütend auf das Tier einstach. Diese tatkräftige Person war ich, und ich konnte zu meiner Befriedigung feststellen, daß ich trotz Anspannung all meiner Kräfte das Schwein nicht mit einem einzigen Stoß durchbohren konnte. Vielleicht wollen Sie es auch einmal versuchen?«
»Um nichts in der Welt! Aber warum haben Sie das getan?«
»Weil mir schien, es sei ein Versuch im Hinblick auf das Geheimnis von Woodman’s Lee. – Ah, Hopkins. Gestern abend erhielt ich Ihr Telegramm, und ich habe Sie erwartet. Kommen Sie, leisten Sie uns Gesellschaft.«
Unser Besucher war ein höchst beweglicher Mann von dreißig Jahren; er trug einen unauffälli gen Tweed-Anzug, jedoch in der aufrechten Haltung dessen, der an Uniform gewöhnt ist. Ich erkannte in ihm sofort Stanley Hopkins, den jungen Polizeiinspektor, auf dessen Zukunft Holmes große Stücke hielt, während wiederum Hopkins für die wissenschaftlichen Methoden des berühmten Amateurs die Bewunderung und den Respekt eines Schülers bezeigte. Des Inspektors Stirn war umdüstert, und er setzte sich mit dem Ausdruck tiefer Niedergeschlagenheit.
»Nein, Sir, vielen Dank. Ich habe schon gefrühstückt. Die Nacht habe ich in der Stadt verbracht, denn ich bin gestern zum Bericht hergekommen.«
»Und was hatten Sie zu berichten?«
»Einen Mißerfolg, Sir, einen absoluten Mißer
folg.«
»Sie haben keine Fortschritte gemacht?«
»Keine.«
»Du lieber Himmel! Da muß ich doch einen Blick auf die Angelegenheit werfen.«
»Ich wünschte bei Gott, daß Sie es täten, Mr. Holmes. Es ist die erste große Gelegenheit für mich, und ich bin mit meiner Weisheit am Ende. Steigen Sie nur um Himmels willen herab und helfen Sie mir.«
»Gut, gut, zufällig habe ich bereits alles erreichbare Beweismaterial gelesen, einschließlich des Berichts über die amtliche Voruntersuchung, und das mit einiger Aufmerksamkeit. Was halten Sie übrigens von dem Tabakbeutel, der auf dem Schauplatz des Verbrechens gefunden wurde? Gibt es für den einen Anhaltspunkt?«
Hopkins sah erstaunt drein.
»Der Tabakbeutel hat dem Mann gehört. Innen standen seine Initialen. Außerdem ist er aus Seehundsfell – und der Mann war ein alter Robbenjäger.«
»Aber er besaß keine Pfeife.«
»Ja, Sir, eine Pfeife fanden wir nicht, und er hat auch wenig geraucht. Es ist vielleicht so, daß er immer ein bißchen Tabak für Freunde bereithielt.«
»Zweifellos. Ich erwähne den Umstand ja nur, weil ich ihn, wäre ich mit dem Fall betraut, möglicherweise zum Ausgangspunkt meiner Untersuchungen gemacht hätte. Wie dem aber sei, mein Freund Dr. Watson weiß nichts von der Sache, und mir würde es auch nicht schaden, den Ablauf der Ereignisse noch einmal zu hören. Tragen Sie uns kurz das Wichtigste vor.«
Stanley Hopkins zog einen Zettel aus der Tasche.
»Hier stehen ein paar Daten, die einen Begriff von der Laufbahn des Toten, Kapitän Peter Carey, geben können. Geboren ‘45 – fünfzig Jahre alt. Er war ein äußerst verwegener und erfolgreicher Robbenjäger und Walfänger. 1883 führte er das Kommando auf dem Dampfschiff ›Sea Unicorn‹ aus Dundee. Es gelangen ihm hintereinander einige sehr ertragreiche Fahrten, und im folgenden Jahr, 1884, zog er sich vom Geschäft zurück. Danach ist er einige Jahre gereist und hat sich schließlich ein kleines Anwesen gekauft, Woodman’s Lee bei Forest Row in Sussex. Dort lebte er sechs Jahre, dort starb er, heute vor einer Woche.
Einiges Bemerkenswerte ist von dem Mann zu berichten. Normalerweise war er strenger Puritaner – ein stiller, düsterer Bursche. In seinem Hause lebten er, seine Frau, eine zwanzigjährige Tochter und zwei weibliche Bedienstete. Letztere wechselten ständig, denn ihre Lage war
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