Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
werden kann? In tiefem Schweigen hockten wir zwischen den Büschen und warteten darauf, was die Nacht bringen sollte. Im Anfang munterten uns noch die Schritte von ein paar verspäteten Dorfbewohnern auf oder der Laut von Stimmen aus dem Ort; aber das eine wie das andere erstarb allmählich, und absolute Stille fiel auf uns, die nur vom Schlagen der weit abgelegenen Kirchturmuhr, die uns das Voranschreiten der Nacht kündete, und vom Rascheln und Wispern des dünnen Regens auf das Blätterdach, unter dem wir hockten, unterbrochen wurde.
Es hatte halb drei geschlagen, und die dunkelste Stunde, die dem Tag vorangeht, war angebrochen, als ein leises, aber deutliches Klicken aus der Richtung des Gatters uns zusammenzucken ließ. Jemand hatte die Auffahrt betreten. Dann blieb es wieder lange ruhig, und ich fürchtete bereits, wir wären einem falschen Alarm aufgesessen, als wir von der anderen Seite der Hütte einen leisen Schritt und einen Augenblick später ein metallisches Kratzen und Knacken vernahmen. Da versuchte einer, das Schloß gewaltsam zu öffnen! Diesmal stellte er es geschickter an oder hatte besseres Werkzeug, denn wir hörten das Schloß aufschnappen und dann die Angeln quietschen. Dann wurde ein Zündholz angerissen, und im Nu erfüllte das ruhig brennende Licht einer Kerze das Innere der Hütte. Unsere Augen erblickten durch die leichte Gardine den Schauplatz.
Der nächtliche Besucher war ein zarter und schlanker junger Mann mit einem schwarzen Schnurrbart, der die Leichenblässe seines Gesichts unterstrich. Nie habe ich ein menschliches Wesen gesehen, das so von mitleiderregender Furcht besessen war; die Zähne schlugen sichtlich aufeinander, und er schlotterte an allen Gliedern. Er war wie ein Gentleman gekleidet, trug ein Norfolk-Jackett und Knickerbockers, und auf dem Kopf hatte er eine Tuchmütze. Wir beobachteten, wie er angstvoll um sich starrte. Dann setzte er den Kerzenstumpf auf den Tisch und entschwand unseren Blicken in eine der Ecken. Er kehrte mit einem großen Buch zurück, einem der Log-Bücher vom Regal. Er stützte sich auf den Tisch und blätterte schnell in dem Band, bis er auf die Eintragung stieß, die er suchte. Dann schloß er mit einer wütenden Gebärde der Faust das Buch, stellte es in die Ecke zurück und löschte das Licht. Kaum hatte er die Hütte verlassen, da packte Hopkins ihn am Kragen, und ich hörte sein lautes furchtsames Keuchen, als er begriff, daß er gefaßt war. Die Kerze wurde wieder angezündet, und wir sahen unseren bejammernswürdigen Gefangenen, wie er unterm Griff des Detektivs zitterte. Er sank auf die Seemannskiste und blickte hilflos von einem zum anderen.
»Nun, mein prächtiger Bursche«, sagte Stanley Hopkins, »wer sind Sie und was wollen Sie hier?«
Der Mann nahm sich zusammen und suchte uns mit Fassung zu begegnen.
»Ich nehme an, Sie sind Detektive«, sagte er. »Sie glauben, ich hätte etwas mit dem Tod von Captain Peter Carey zu tun. Aber ich versichere Ihnen, ich bin unschuldig.«
»Das werden wir herausbekommen«, sagte Hopkins. »Aber erst einmal: Wie heißen Sie?«
»John Hopley Neligan.«
Ich sah, wie Holmes und Hopkins einen schnellen Blick wechselten.
»Was tun Sie hier?«
»Kann ich vertraulich sprechen?«
»Nein, sicher nicht.«
»Warum sollte ich es Ihnen erzählen?«
»Wenn Sie keine Antwort auf die Frage wissen, kann es Ihnen vor Gericht schlecht ergehen.«
Der junge Mann zuckte zusammen.
»Ich will es Ihnen sagen«, antwortete er. »Warum sollte ich es nicht tun? Und doch ist mir der Gedanke zuwider, daß der alte Skandal wieder zum Leben erweckt wird. Haben Sie je von Dawson & Neligan gehört?«
Von Hopkins Gesicht konnte ich ablesen, daß er den Namen nie gehört hatte; aber Holmes wirkte sehr interessiert.
»Sie meinen die Chefs von der West-CountryBank?« sagte er. »Sie fallierten mit einer Million, ruinierten die Hälfte der Familien von Cornwall, und Neligan verschwand.«
»So ist es. Neligan war mein Vater.«
Endlich konnten wir die Hand auf etwas Sicheres legen, und doch schien zwischen einem verschwundenen Bankier und Captain Peter Carey, der mit einer seiner Harpunen an die Wand gespießt worden war, noch eine tiefe Kluft zu liegen. So lauschten wir alle aufmerksam den Worten des jungen Mannes.
»Eigentlich betraf alles meinen Vater. Dawson hatte sich schon vom Geschäft zurückgezogen. Ich war damals zehn Jahre, doch alt
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