Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Nubier überlassen.
Die Wirtsstube hatte sich inzwischen merklich geleert. Es schien
tatsächlich so zu sein, wie Malik behauptet hatte: Es hatte sich herumgesprochen, dass die beiden fremden Krieger hier abgestiegen
waren, und einige der Gäste waren anscheinend gekommen, um einen Blick auf den schwarzen Mann zu werfen, der wie ein Berserker
auf den Mauern gewütet und den Ansturm der Türken beinahe allein
zurückgeschlagen hatte. Die meisten von ihnen hatten das Gasthaus
kurze Zeit nach Abu Dun verlassen, als ihnen das Warten auf seine
Rückkehr zu lang wurde. Die wenigen noch verbliebenen Zecher
nahmen kaum noch Notiz von dem Mann, der allein an seinem Tisch
in der Ecke saß.
Andrej schrak aus seinen trüben Gedanken auf, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Im letzten Moment konnte er
seine Hand davon zurückhalten, nach dem Schwert an seinem Gürtel
zu greifen. Die Gestalt, die fast lautlos zu ihm an den Tisch getreten
war, stellte keine Bedrohung dar. Es war ein dunkelhaariger Junge
von vielleicht zwölf oder dreizehn Jahren, der ihm vermutlich nicht
einmal dann gefährlich hätte werden können, wenn er bis zur Besinnungslosigkeit betrunken gewesen wäre. Aber Andrej schalt sich in
Gedanken dennoch für seine Unachtsamkeit. Es war erschreckend,
dass er sich ihm überhaupt hatte unbemerkt nähern können.
»Was willst du?«, fragte er barsch. Sein Ärger galt eher sich selbst
als dem Knaben.
»Ich… verzeiht, wenn ich Euch störe, Herr«, stammelte der Junge.
Er schluckte schwer. Angespannt knetete er die Hände. In seinen
dunklen, eingefallen wirkenden Augen, die wie schwarze Löcher in
seinem von Hunger gezeichneten Gesicht wirkten, flackerte mühsam
beherrschte Angst. »Ich… ich habe gehört, dass Ihr nach jemandem
sucht. Ihr seid doch Andrej Delãny, der Schwertkämpfer?«
»Nicht heute«, versuchte Andrej ihn abzuwimmeln.
»Aber… aber ich weiß, wo der Medicus sich aufhält, und ich… ich
kann Euch zu Breiteneck führen.«
»Wie interessant.« Andrej schenkte sich Wein nach und trank einen
weiteren großen Schluck. Er schmeckte nicht einmal. »Und die Belohnung, die wir für einen Hinweis auf den Verbleib des Medicus
ausgesetzt haben, hat damit nicht zufällig etwas zu tun?«
Ein weiterer Fehler, den Abu Dun und er seit ihrer Ankunft in Wien
begangen hatten (wenn er ehrlich war, hauptsächlich er): Die Idee,
eine Belohnung auf einen Hinweis auf den Verbleib Breitenecks auszusetzen. Andrej hatte längst aufgehört zu zählen, wie viele bereits
gekommen waren, um die ausgesetzte Belohnung einzustreichen.
Nicht einer hatte bisher auch nur gewusst, wer Breiteneck war. Andrej wollte jetzt nicht über den Medicus reden. Alles, was er wollte,
war sich zu betrinken.
Aber der Junge gab nicht so schnell auf. Alles, was er wollte, war
ganz offensichtlich die Belohnung. »Aber es ist wahr! Ich habe Breiteneck erst heute Abend gesehen«, beteuerte er. Unglaube und Unsicherheit über Andrejs Ablehnung und Furcht davor, ihn trotzdem
weiter zu bedrängen, wechselten sich in seinem Gesicht ab. Seine
Augen waren groß und rund und voller Angst, dennoch gab er nicht
auf. Andrej verspürte so etwas wie widerwillige Bewunderung für
die Hartnäckigkeit, die der Junge an den Tag legte.
»Ah, ja«, sagte Andrej spöttisch. »Und von allen hier in der Stadt
bist du zufällig der Einzige, der weiß, wo er sich versteckt hält.« Er
lachte abfällig. »Ich hätte gleich zu dir kommen sollen. Verschwinde,
du kleine Kröte!«
»Aber Breiteneck…« Der Junge biss sich auf die Zunge und warf
einen raschen, erschrockenen Blick in die Runde, wie um sich davon
zu überzeugen, dass auch niemand seine Worte gehört hatte. Deutlich
leiser setzte er noch einmal an: »Breiteneck will nicht gefunden werden. Deshalb hält er sich versteckt. Aber ich weiß, wo.«
Andrej seufzte tief. Wahrscheinlich würden ein paar weitere harsche Worte genügen, um den Jungen zu verscheuchen. Er hatte nicht
die mindeste Lust, das Gasthaus jetzt noch einmal zu verlassen und
eine Wanderung durch die nächtlichen Straßen zu unternehmen,
nicht nach dem, was er vorhin von Wien gesehen hatte. Andererseits
waren vielleicht frische Luft und ein wenig Bewegung genau das,
was er jetzt brauchte - auf jeden Fall besser, als noch mehr Wein.
Und schließlich waren Abu Dun und er ja überhaupt nur nach Wien
gekommen, weil sie Breiteneck suchten. Trotz der bisherigen Enttäuschungen durfte er diese Gelegenheit nicht

Weitere Kostenlose Bücher