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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einfach aus Bequemlichkeit und wegen eines albernen Streites mit Abu Dun ungenutzt verstreichen lassen.
»Wie heißt du?«, fragte er.
»Marco«, antwortete der Junge. So etwas wie vorsichtige Hoffnung
glomm in seinen Augen auf, vermischt mit einer Spur von Furcht
vielleicht.
»Und du behauptest also, du hättest Breiteneck gesehen. Den echten Franz Breiteneck, nicht nur jemanden, der ihm ähnlich sieht oder
wie er als Medicus und Heiler auftritt oder der zufällig genauso
heißt?«
»Es war der Echte, ganz bestimmt, Herr.« Die Hoffnung in den Augen des Jungen wurde stärker, aber das, worauf Andrej wartete - Gier
- gesellte sich nicht dazu.
»Also gut. Aber du weißt, dass du die Belohnung nur bekommst,
wenn deine Behauptung wirklich stimmt? Wenn nicht, werde ich dir
gehörig den Hosenboden versohlen, darauf hast du mein Wort.«
»Ich sage die Wahrheit, wirklich, Herr«, beteuerte Marco.
Andrej überlegte noch einen Moment, aber dann nickte er. »Also
gut, dann komm.«
Er griff nach seinem Mantel und warf dem Weinbecher einen kurzen, fast sehnsüchtigen Blick zu, stemmte sich aber dann in die Höhe, ohne ihn auch nur noch einmal angerührt zu haben. Für einen
kurzen Moment wurde ihm schwindelig. Anscheinend war er doch
schon betrunkener, als er geglaubt hatte. Benommen schüttelte er den
Kopf und folgte dem Jungen aus der Gaststube. Die zum Teil misstrauischen, zum Teil unverblümt hasserfüllten Blicke, die ihm folgten, ignorierte er.
Ein rauer Wind schlug ihnen in die Gesichter, als sie durch die Tür
ins Freie traten. Die Tage waren kälter geworden; es war nicht mehr
zu übersehen, dass es Ende September war und der Winter vor der
Tür stand. In den Nächten wurde es bereits empfindlich kalt.
Die Kälte biss fast augenblicklich durch Andrejs Kleidung. Fröstelnd schloss er seinen Mantel und schlug den Kragen hoch. Erneut
wurde ihm schwindelig, stärker noch als zuvor in der Schankstube.
Er taumelte und wäre vielleicht sogar gestürzt, wenn er sich nicht
gerade noch rechtzeitig am Türrahmen festgehalten hätte.
Marco musterte ihn besorgt. »Ist alles in Ordnung mit Euch,
Herr?«, fragte er.
Andrej atmete ein paar Mal tief durch, wartete, bis der Schwindel
nachgelassen hatte, und nickte dann - allerdings sehr vorsichtig. Es
war ihm unangenehm, dass der Junge den Augenblick seiner Schwäche so deutlich bemerkt zu haben schien.
»Ja«, brummte er. »Aber hör auf, mich dauernd ›Herr‹ zu nennen.
Mein Name ist Andrej.«
»Wie Ihr wünscht. Kommt. Wir müssen dort entlang.«
Der Weg führte in die Richtung zurück, in die die Soldaten ihn und
Abu Dun am frühen Abend zu von Salm geführt hatten, doch schon
auf halbem Wege zum Dom bog Marco in eine schmale Seitenstraße
ab. Die unheimliche Stimmung, die Andrej bereits zuvor wahrgenommen hatte, hatte sich in den zurückliegenden Stunden noch verstärkt.
Mehr denn je hätte man glauben können, sich in einer menschenleeren Stadt zu befinden. Angesichts der vorgerückten Stunde brannte
fast nirgendwo mehr Licht, und die Stille war noch bedrückender
geworden. Niemand außer ihnen hielt sich mehr auf den Straßen auf,
und nicht einmal aus den Schänken drang mehr Lärm ins Freie. Die
einzigen Geräusche waren die des Windes, der Laub und Unrat vor
sich hertrieb, an Fensterläden rüttelte und Schilder über den Türen
knarrend hin und her schwingen ließ. Ihre Schritte schienen überlaut
in den engen Straßen widerzuhallen.
»Warum treibst du dich um diese Zeit noch hier draußen herum?«,
erkundigte sich Andrej, nachdem er dem Jungen eine Weile schweigend gefolgt war.
Marco grinste. Sein Gesicht war in der herrschenden Dunkelheit
nur undeutlich zu erkennen, was seinem Lächeln etwas sonderbar
Unheimliches, fast schon Bedrohliches zu verleihen schien. »Meine
Mutter ist schon lange tot und von meinem Vater bin ich vor einem
Jahr weggelaufen. Er ist kein guter Mensch.«
»Warum?«
»Er hat mich oft geschlagen«, antwortete Marco.
»Und wovon lebst du?«
»Ich mache so dies und das«, erklärte Marco ausweichend. »Was
sich eben so ergibt.«
Andrej konnte sich lebhaft vorstellen, was damit gemeint war, und
zum Lebensunterhalt des Jungen mochte durchaus auch beitragen,
einem unbedarften Fremden irgendetwas vorzuschwindeln, um ihm
das Geld aus der Tasche zu ziehen. Oder als Lockvogel zu dienen,
um ihn in einen Hinterhalt zu lotsen, wo ihn seine Kumpane dann
ausrauben konnten. Nun, in diesem Fall, dachte Andrej, würden sie
eine

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