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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eingesperrt zu sein, aber angesichts der Vielzahl bewaffneter Soldaten um ihn herum wagte er
nicht dagegen aufzubegehren. Die Männer waren auch so schon gereizt genug.
    Der Weg durch die Stadt war zu einem regelrechten Spießrutenlaufen geworden. Andrej hatte die feindselige Stimmung, die ihm entgegenschlug, fast mit Händen greifen können. Er hatte dieses Verhalten auf die Angst zurückgeführt, die sich in die Herzen aller Bewohner Wiens eingeschlichen hatte. Vielleicht auch auf die schwarzen
Rauchwolken, die über dem östlichen Teil der Stadtmauer in die Höhe stiegen und davon kündeten, dass der Ansturm des feindlichen
Heeres nicht nachgelassen hatte. In Zeiten wie diesen begegneten
selbst friedliebende Menschen Fremden mit Misstrauen und Argwohn - vor allem, wenn diese von vier kräftigen Soldaten begleitet
wurden, die die Hände auf die Schwertgriffe gelegt hatten und sich
alle Mühe gaben, ihre grimmigsten Gesichter aufzusetzen.
    Aber vielleicht gab es ja noch einen weiteren Grund, auf den er bisher nicht gekommen war…
Andrej rieb sich mit der Hand über die schmerzende Brust. Immerhin waren die Männer noch rücksichtsvoll genug gewesen (oder
ängstlich genug), so lange zu warten, bis Malik mit dem Verbandszeug gekommen war und seine Verletzung wenigstens notdürftig
versorgt hatte. Aber die Wunde schmerzte höllisch, und das Denken
fiel ihm sonderbar schwer.
Andrej war unzählige Male verwundet worden, doch nun erlebte er
zum ersten Mal, was es hieß, sich von einer schweren Verletzung
erholen zu müssen. Immerhin hatte man ihm seine Waffen gelassen.
Die Zeit verging. Andrej schätzte, dass er seit einer guten Stunde
hier saß und darauf wartete, zu von Salm gebracht zu werden, aber es
verging noch viel Zeit, bis er das Geräusch des Schlüssels ein weiteres Mal hörte und derselbe Soldat, der ihn hergebracht hatte, wieder
eintrat.
»Komm«, sagte er barsch. »Ich bringe dich jetzt zum Grafen.«
Andrej fragte sich, ob es Zufall war, dass der Mann vom förmlichen
›Ihr‹ nun zum groben ›Du‹ gewechselt hatte, aber er verbiss sich jede
Bemerkung. Wortlos stand er auf und folgte dem Mann nach draußen.
Er war nicht überrascht, dass auf dem Gang drei weitere Männer
auf sie warteten, von denen zwei die Hände auf den Schwertern liegen hatten. Was ihn hingegen überraschte, war, dass sie nicht in
Richtung des Zimmers gingen, in dem von Salm Abu Dun und ihn
das erste Mal empfangen hatte, sondern das Gebäude wieder verließen und auf die Straße hinaustraten, wo eine zweispännige Kutsche
auf sie wartete.
»Wohin bringt ihr mich?«, fragte er.
»Zum Grafen«, antwortete sein Führer ruppig. »Er kann nicht hier
mit dir sprechen, aber es ist nicht weit. Steig ein.«
Die Geste, mit der er auf die offen stehende Tür des Fuhrwerks
deutete, war keine Einladung, sondern ganz eindeutig ein Befehl.
Andrej kletterte umständlich in den Wagen und rutschte auf der ungepolsterten, harten Bank zur Seite, um Platz für seine Begleiter zu
machen.
Es wurde eng, und die Fahrt war alles andere als bequem, aber sie
dauerte tatsächlich nicht sehr lange.
Schon nach kurzer Zeit rumpelte die Kutsche durch ein niedriges
Torgewölbe, und sie hielten an.
Als Andrej ausstieg, verfinsterte sich sein Blick. »Das ist…«
»… das Stadtgefängnis«, fiel ihm der Wortführer seiner Wache ins
Wort. »Graf von Salm erwartet dich hier.«
»Bin ich Euer Gefangener?«, fragte Andrej unumwunden.
»Wir haben Befehl, dich zu ihm zu bringen«, antwortete der Soldat
stur. »Mehr weiß ich nicht.«
Sein Blick behauptete etwas anderes, aber Andrej hakte nicht nach.
Etwas regte sich in ihm. Ein anderer Unsterblicher war hier. Nicht in
seiner unmittelbaren Nähe, aber auch nicht allzu weit entfernt.
Seine Hand senkte sich auf das Schwert, das an seiner linken Hüfte
hing, und er drehte sich unwillkürlich um. Im nächsten Moment zog
er die Hand aber rasch wieder zurück, als ihm die Reaktion seiner
Begleiter auffiel: Die Männer waren hastig zurückgewichen, und
zwei von ihnen hatten sogar ihre Waffen gezogen.
»Schon gut«, beschwichtigte Andrej sie rasch. »Ein Missverständnis.« Er hob die leeren Hände, und die Männer ließen zögernd ihre
Waffen sinken.
»Komm mit.«
Diesmal beeilte sich Andrej, der Aufforderung Folge zu leisten.
Während er den Männern über den schattigen, an allen Seiten von
hohen, glatt verputzten Mauern umrahmten Hof folgte, lauschte er
konzentriert in sich hinein. Die Präsenz

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