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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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beantwortet. Wem
stehe ich gegenüber? Frederic oder Dracul?«
»Vielleicht jedem von ihnen ein wenig«, antwortete Frederic. »Und
dem, was du daraus gemacht hast.«
»Das ist seltsam«, sagte Andrej. »Ich hatte gehört, Vlad Dracul wäre tot. Ermordet von denen, denen er am meisten vertraute.«
»Du kennst mich schlecht, wenn du wirklich glaubst, dass ich jemandem vertraue.« Er stieß die Luft zwischen den Zähnen aus. »Ich
habe einmal jemandem vertraut, Andrej. Es ist lange her, und es war
nur ein einziger Mann. Ich habe daraus gelernt.
»Aber offenbar nicht genug«, sagte Andrej. Er legte noch einmal
die Hand auf den Schwertgriff. »Du solltest es dir noch einmal überlegen. Ich bin geschwächt und kann nur einen Arm benutzen. Eine
Gelegenheit wie diese bekommst du vielleicht nie wieder.«
Tatsächlich senkte auch Frederic die Hand auf den Griff der Waffe,
die aus seinem Gürtel ragte, und Andrej gewahrte eine gleitende,
schattenhafte Bewegung in der Dunkelheit hinter ihm. Dann aber zog
er die Hand mit einem Ruck zurück und schüttelte den Kopf. »Nein«,
sagte er. »Das wäre zu einfach. Später, Andrej. Gedulde dich. Nur
noch eine kurze Weile.«
Und damit trat er mit einem sonderbar gleitenden Schritt in die
Dunkelheit zurück. Einen Moment später war er verschwunden, als
hätte die Nacht ihn aufgelöst, um ihn zu einem Teil ihrer selbst zu
machen.
    Erst kurz vor Mitternacht war er in von Salms Hauptquartier zurückgekehrt, müde und von Schmerzen geplagt, die sich allerdings
weit mehr in seine Seele gruben als in seinen Körper. Andrej hätte
nicht sagen können, wo er in diesen Stunden gewesen war, so wenig,
wie er hinterher wusste, was er in dieser Zeit getan oder auch nur
gedacht hatte. Seine Schritte hatten ihn ziellos durch die nächtlichen
Straßen der Stadt getragen, einmal sogar bis hin zur östlichen Mauer,
wo trotz der vorgerückten Stunde noch hektische Betriebsamkeit
herrschte, denn die Verteidiger versuchten in aller Hast, die Schäden
zu beheben, die die Angriffe des vergangenen Tages zurückgelassen
hatten.
    Als er schließlich ins Haus zurückkehrte, fand er es so still vor, dass
man hätte meinen können, es wäre verlassen. Die Anzahl der Männer, die in der großen Eingangshalle kampierten, war sichtbar kleiner
geworden. Erschreckend viele trugen Verbände oder hatten unbehandelte, schwärende Wunden. Ein übler Gestank nach Krankheit
und menschlichen Ausscheidungen lag in der Luft, und wäre Andrej
nicht viel zu müde gewesen, um auch nur darüber nachzudenken,
dann hätte er begriffen, dass er hier dem dritten und vielleicht
schlimmsten Feind gegenüberstand, den von Salms Truppen hatten.
    Die Anzahl der Verteidiger schmolz jeden Tag. Immer mehr der
Männer, die die Kämpfe des Tages überlebten, kehrten verletzt von
den Mauern zurück. Mit dem Mut der Männer verschlechterten sich
auch die hygienischen Bedingungen in der Stadt, mit denen es auch
vor Ausbruch des Krieges schon nicht zum Besten gestanden hatte.
Bald würden Krankheiten und vielleicht Seuchen zusätzlich an den
Kräften der Verteidiger zehren, und vielleicht musste Sultan Soliman
gar nicht mehr abwarten, bis es seinen Männern endlich gelungen
war, eine Bresche in die Stadtmauer zu schlagen.
    Auch Abu Dun schlief, als Andrej in ihr Zimmer zurückkehrte. Er
schnarchte so laut, dass Andrej ihn schon hörte, als er in den Korridor einbog, und wachte nicht einmal auf, als er auf dem Weg ins Bett
über ihn hinwegkletterte und ihm dabei versehentlich auf die Hand
trat.
    So still und unbemerkt er zurückgekehrt war, so lautstark wurde er
am nächsten Morgen geweckt. Es war Abu Duns zorniges Gebrüll,
das ihn aus dem Schlaf riss, doch als er die Augen aufschlug, blickte
er in das Gesicht des jungen Soldaten, der ihn schon am Vortag zu
von Salm gebracht hatte. Obwohl er noch schlaftrunken war, musste
er nur einen einzigen Blick in seine Augen werfen, um zu sehen, dass
irgendetwas geschehen war. Wieder einmal. »Wacht auf, Delãny«,
forderte der Mann in barschem Ton. »Graf von Salm…«
    »… will mich sprechen, ich weiß«, nuschelte Andrej benommen. Er
schob die Hand des Soldaten, der tatsächlich dazu angesetzt hatte,
ihn an der - verletzten - Schulter zu rütteln, mit einer heftigen Bewegung zur Seite und setzte sich gleichzeitig auf. Sofort wurde ihm
schwindlig, sodass er einen Moment lang auf der Bettkante sitzen
blieb und abwartete, bis das Zimmer aufhörte, sich um ihn zu

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