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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den beiden anderen Gästen umzudrehen, aber er konnte hören,
dass sie ihr Gespräch unterbrochen hatten und aufmerksam in seine
und Maliks Richtung sahen.
»Wollt Ihr etwas trinken?«, fragte Malik.
Andrej nickte. Während Malik einen Becher vor ihn stellte und mit
Händen, deren Zittern er nicht mehr ganz unterdrücken konnte, Wein
aus einem Krug einschenkte, fragte er: »Nicht viel los heute, wie?«
»Was habt Ihr erwartet?«, gab Malik zurück. »Meine beiden größten Attraktionen sind nicht mehr da, und die Hälfte meiner Stammgäste ist tot. Das ist das Problem mit dem Krieg - bis zu einem gewissen Punkt ist er gut fürs Geschäft, aber danach…« Er zuckte mit
den Schultern und schob Andrej den gefüllten Becher zu. »Auf Kosten des Hauses. Lasst es Euch schmecken.«
Andrej nickte dankbar. Hinter ihm scharrten Stühle. Andrej spannte
sich, aber dann hörte er, wie die beiden Männer den Raum verließen.
Malik runzelte die Stirn, als die Tür hinter ihnen zufiel, schwieg aber.
»Jetzt habe ich wohl auch noch deine beiden letzten Gäste vertrieben«, sagte Andrej.
Malik hob abermals die Schultern. Er schwieg beharrlich weiter.
Andrej nippte an seinem Wein. Er war so schlecht und stark wie
immer, aber anders als sonst trank er jetzt nur einen winzigen
Schluck. Angeschlagen, wie er war, war er vermutlich gut beraten,
einen klaren Kopf zu behalten. »Also, Malik«, sagte er. »Was ist hier
los?«
Der Schankwirt druckste einen Moment herum und sah dann zu der
Tür hin, die sich hinter seinen letzten Gästen geschlossen hatte, ehe
er zum dritten Mal die Schultern hob. »Es gibt Gerüchte«, sagte er
schließlich voller sichtbaren Unbehagens.
»Gerüchte?«, wiederholte Andrej. »Aber ich dachte, Gerüchte wären für jemanden wie dich fast ebenso wichtig wie der gepanschte
Wein, den du verkaufst.«
Malik blieb ernst. »Nicht solche Gerüchte«, antwortete er. »Die
Menschen haben Angst. Mit der Angst ist es wie mit dem Krieg,
wisst Ihr? Bis zu einem gewissen Punkt…«
»… ist sie gut für das Geschäft, ja, ja, ich weiß«, unterbrach ihn
Andrej ungeduldig. »Was für Gerüchte?«
»Es heißt, dass schlimme Dinge unten in den Katakomben geschehen«, antwortete Malik. Er wich Andrejs Blick aus. »Manche behaupten, der Teufel triebe sein Unwesen dort unten, oder auch
Schlimmeres.«
»So so«, sagte Andrej. Er trank wieder einen winzigen Schluck
Wein, behielt den Gastwirt dabei aber genau im Auge. Malik schien
mit jedem Atemzug unruhiger zu werden. »Aber ein so intelligenter
und weltoffener Mann wie du glaubt natürlich nicht an solch dummes Geschwätz, nicht wahr?«
Malik wand sich wie ein getretener Wurm. »Es heißt, dass Ihr etwas damit zu tun hättet, und… und Euer Freund, der Muselmane.«
Andrej sah den Gastwirt nachdenklich an. Malik kannte Abu Duns
Namen so gut wie seinen eigenen. Dass er ihn nun wieder den Muselmanen nannte, war bestimmt kein Zufall. »Und was?«, fragte er.
»Das weiß ich nicht«, behauptete Malik. »Niemand weiß es genau.«
»Aber trotzdem reden die Leute darüber.«
»Die Leute reden am liebsten über das, wovon sie eigentlich nichts
wissen«, erwiderte Malik. Es fiel ihm immer schwerer, seine Unruhe
im Zaum zu halten, und Andrej spürte auch mit jedem Moment mehr,
wie sehr er sich wünschte, er wäre nicht gekommen.
Andrej dachte kurz darüber nach, Malik etwas nachdrücklicher zu
befragen. Er wusste, dass der Schankwirt ihm nicht gewachsen war -
das zeigte schon ein einziger Blick in sein Gesicht und seine unsicher
flackernden Augen. Aber er tat es nicht. Malik und er waren keine
Freunde. Eher gehörte der Schankwirt zu dem Menschenschlag, dessen Nähe Andrej normalerweise mied. Aber er war einer der wenigen
Menschen in dieser Stadt, die er kannte. Vielleicht wäre es besser
gewesen, er wäre gar nicht gekommen.
»Ich denke, es wird Zeit für mich zu gehen«, sagte er, während er
unter den Mantel griff und nach seiner Geldbörse tastete. »Was bin
ich noch für das Zimmer schuldig?«
»Nichts«, antwortete Malik hastig. »Graf von Salm hat schon alles
bezahlt«.
Und dir wäre es lieber gewesen, du hättest mich nie mehr gesehen,
dachte er. Natürlich sprach er das nicht aus. Er verabschiedete sich
nicht, legte nur eine kleine Münze auf die Theke, um den Wein zu
bezahlen, an dem er kaum genippt hatte, und verließ dann wortlos
den Schankraum.
Es schien kälter geworden zu sein, als er auf die Straße hinaustrat,
und es war sehr dunkel. Stille

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