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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kannst sie nicht spüren. So wenig wie
mich, wenn ich es nicht will.«
Andrej gab sich alle Mühe, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, aber gemessen an dem spöttischen Funkeln, das plötzlich in Frederics Augen aufblitzte, schien es ihm nicht sonderlich gut
zu gelingen.
»Sagte ich nicht, dass ich dazugelernt habe?«, fragte Frederic.
»Ja«, antwortete Andrej. »Und? Was willst du? Zu Ende bringen,
was du angefangen hast?«
»Sicher«, antwortete Frederic. »Aber nicht jetzt und nicht hier. Du
bist verletzt und nicht im Vollbesitz deiner Kräfte. Es wäre ein zu
billiger Sieg, an dem ich keine Freude hätte.« Er schüttelte den Kopf
und kam einen Schritt näher, blieb aber sofort wieder stehen, als sich
Andrejs Hand fast ohne sein Zutun wieder fester um den Schwertgriff schloss. Ungeachtet seiner eigenen Worte schien er noch immer
gehörigen Respekt vor ihm zu haben.
»Was willst du dann?«, fragte Andrej.
Frederic sah ihn einen Moment lang nachdenklich an. »Nur mit dir
reden«, wiederholte er und wiegte den Kopf. »Vielleicht möchte ich
dir zeigen, wozu Wesen unserer Art wirklich fähig sind, wenn sie
sich nur entschließen, die Kräfte vollkommen zu nutzen, die ihnen
die Natur geschenkt hat. Dir sagen, dass wir beide zusammen durchaus stark genug sind, es mit dieser ganzen Welt aus sterblichen,
dummen Menschen aufzunehmen.« Er lachte leise. »Oder dich auffordern, endlich Vernunft anzunehmen und auf meine Seite zu wechseln, um mit mir über die Welt zu herrschen.«
Wieder schien er eine Weile über seine eigenen Worte nachdenken
zu müssen, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Ich weiß ja, wie deine Antwort ausfallen würde. Und wenn ich ehrlich bin, will ich eigentlich auch nur eines: deinen Tod.«
»Was ist mit dir geschehen?«, murmelte Andrej. »Was hat dich so
verändert, Frederic?«
Die Worte waren ehrlich gemeint. Er versuchte vergeblich, auch
nur eine Spur von Hass in sich zu entdecken. Alles, was er empfand,
während er in das ebenso ebenmäßige wie grausame Gesicht seines
Gegenübers blickte, war eine tiefe Betroffenheit und eine langsam
größer werdende Furcht, die nicht dem galt, was Frederic und seine
Kreaturen ihm vielleicht antun mochten, sondern einzig dem, was
aus ihm geworden war.
Was vielleicht eines Tages auch aus ihm werden würde.
Wieder war es, als hätte Frederic seine Gedanken gelesen. »Du hast
Angst, nicht wahr, alter Freund? Du siehst mich an und hast Angst
vor dem, was du erblickst, habe ich Recht?« Er beantwortete seine
eigene Frage mit einem Nicken. »Und soll ich dir etwas sagen?
Von deinem Standpunkt aus sogar zu Recht. Du bist stark, Andrej.
Vielleicht der stärkste von uns. Nur wenige vor dir haben der Versuchung so lange widerstanden. Und doch kannst du diesen Kampf am
Ende nicht gewinnen. Die Versuchung hört niemals auf, und wenn
du tausend Jahre alt wirst. Sie wird immer da sein, und sie wird mit
jedem Jahr, das vergeht, ein kleines bisschen stärker. Und eines Tages wirst du ihr erliegen. Du weißt das, und das macht dir Angst.«
Abermals schüttelte er den Kopf. »Nun ja, zumindest diese Furcht
kann ich dir nehmen, gewissermaßen als letzten Freundschaftsdienst.
Du wirst als guter Vampyr sterben.«
»Wie willst du es diesmal anfangen?«, fragte Andrej. »Ein vergifteter Pfeil? Oder etwas, das du mir ins Essen mischst? Ein Dolch ins
Herz, wenn ich gerade schlafe?«
»Höre ich da eine Spur von Vorwurf in deiner Stimme?«, fragte
Frederic lächelnd. »Ich bitte dich, Andrej. Ich allein gegen dich, das
wäre kein fairer Kampf. Vergiss nicht, dass ich dich seit einem halben Jahrhundert beobachte. Du bist der vielleicht beste Schwertkämpfer, den es jemals auf dieser Welt gegeben hat. Ich kenne meine
Grenzen. Es wäre Selbstmord, dir ganz allein gegenüberzutreten.«
»Also willst du mich nur verhöhnen?«, schloss Andrej. »Du enttäuschst mich, Frederic.« Er schwieg einen Moment, dann sagte er:
»Wenn das überhaupt dein Name ist.«
Frederic antwortete nicht. Etwas in seinen Augen veränderte sich.
»Wer bist du wirklich?«, fragte Andrej leise. »Wem stehe ich gegenüber? Frederic, oder Vlad, dem Schlächter?«
»Dem Pfähler«, antwortete Frederic kalt. »Wenn schon, dann richtig.« Er hatte sich wieder gefangen und lächelte, aber es wirkte nicht
echt. »Ich sehe, auch du hast mich im Auge behalten.«
»Es war kaum möglich, nichts von deinen Untaten zu hören«, antwortete Andrej. »Aber du hast meine Frage nicht

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