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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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umfing ihn.
Im ersten Moment fiel sie ihm kaum auf, denn er hatte noch immer
die vollkommen ungewohnte Ruhe, die im Goldenen Eber geherrscht
hatte, im Ohr. Dann aber merkte er, wie unerhört ruhig es rings um
ihn war, als wäre die Stille ihm wie ein unsichtbarer Begleiter aus
dem Gasthaus gefolgt, um sich nun rasch überall in seiner Umgebung
auszubreiten und jedes Geräusch zu ersticken. Aber doch: Aus östlicher Richtung drang gedämpftes Murmeln und Raunen an sein Ohr,
das an eine ferne Meeresbrandung erinnerte und doch nicht darüber
hinwegzutäuschen vermochte, dass es die Todesmelodie der Stadt
war. Es war die Geräuschkulisse des gewaltigen osmanischen Heeres, das vor den Mauern lagerte und Kraft für einen neuen Ansturm
sammelte. Er hörte menschliche Stimmen, Gelächter, das schrille
Keifen eines kleinlichen Streits, Schritte… aber all das war weit weg.
Hier, in dieser Straße und ihrer unmittelbaren Umgebung, war nichts
zu hören, obwohl hinter etlichen Fenstern Licht brannte.
Andrej machte noch an paar Schritte und blieb dann stehen, um mit
all seinen scharfen Sinnen zu lauschen. Sein Herz klopfte. Im ersten
Moment hatte er gedacht, seine überreizten Nerven würden ihm einen Streich spielen. Aber er hörte noch immer nichts, obwohl er mit
solcher Konzentration lauschte, dass er die Atemzüge der Menschen
in den Häusern rechts und links der Straße hätte vernehmen müssen.
Es war, als wäre er das einzige lebende Wesen im weiten Umkreis…
Andrejs Hand schloss sich fester um das Schwert, das in seinem
Gürtel steckte. Sein Herz begann immer schneller zu schlagen. Was
war hier los?
Die Gestalt trat lautlos aus dem schwarzen Schlagschatten einer
Tür, und das Unheimlichste war, dass Andrej ihre Anwesenheit nicht
gespürt hatte. Aber das konnte er auch gar nicht, denn in der unheimlichen Gestalt war schon lange kein Leben mehr.
Seit ungefähr einer Woche, um genau zu sein…
»Thilo«, keuchte er. Sein Blick tastete entsetzt über das aufgedunsene, von beginnender Fäulnis gezeichnete Gesicht des Hauptmanns,
seine leeren Augen und die große, ausgefranste Wunde, die dort
klaffte, wo seine Kehle hätte sein sollen. Der Untote musste auch
einen Teil von Thilos Muskulatur herausgerissen haben, denn sein
Kopf pendelte haltlos von rechts nach links, während er auf ihn zutorkelte.
Andrej wollte das Schwert ziehen, aber er konnte es nicht, so wenig
wie er in der Lage war, sich zu bewegen oder auch nur das lähmende
Entsetzen abzuschütteln, mit dem ihn der Anblick der Grauen erregenden Erscheinung erfüllte. Es war nicht der Anblick des Toten an
sich, daran war Andrej gewöhnt, spätestens seit seinem Besuch in
den Katakomben, die sich in einen Vorhof der Hölle verwandelt hatten. Was ihn bis auf den Grund seiner Seele erschütterte, war das
vertraute Gesicht des Hauptmanns, das sich in die höhnisch verzerrte
Grimasse des Todes verwandelt hatte.
»Du brauchst nicht zu erschrecken, alter Freund.«
Langsam drehte sich Andrej herum. Er spürte immer noch nichts,
nicht einmal, als er direkt in Frederics Gesicht blickte.
Es war der Anblick des jungenhaften, edlen Gesichts, der Andrej
seinen Schrecken weit genug überwinden ließ, um wenigstens sein
Schwert ziehen zu können. Noch bevor er die Bewegung halb zu
Ende gebracht hatte, hob Frederic rasch die Hand, und als hätte die
Dunkelheit selbst sie ausgespien, erschienen drei, vier weitere Gestalten hinter ihm. Wankende Schatten in vermoderten bodenlangen
Gewändern und zerfetzten Turbanen, unter denen ihn eingefallene
Gesichter mit toten Augen anblickten.
Andrej erstarrte.
»Das ist sehr vernünftig von dir«, sagte Frederic. »Du brauchst die
Waffe nicht. Ich sagte doch: Es gibt keinen Grund, Angst zu haben.«
Andrej löste widerstrebend die Hand vom Schwertgriff. Er wusste,
dass er in seinem Zustand kaum eine Chance hatte, mit Frederic und
seinen grässlichen Begleitern fertig zu werden - und außerdem wäre
Frederic niemals das Wagnis eingegangen, nur in Begleitung dieser
wenigen Krieger zu kommen. Es musste weitere geben.
»Was willst du?«, fragte er.
»Nur mit dir reden«, antwortete Frederic. Abermals hob er die
Hand, und seine unheimlichen Begleiter zogen sich so lautlos zurück,
wie sie gekommen waren, und verschmolzen wieder mit der Dunkelheit. Nicht einmal jetzt, da er wusste, dass sie da waren, konnte Andrej sie spüren.
Ein flüchtiges Lächeln huschte über Frederics Gesicht. »Gib dir
keine Mühe«, sagte er. »Du

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