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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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drehen.
Er war am vergangenen Abend so müde gewesen, dass er sich nicht
nur mit seinen Kleidern, sondern sogar mit seinen Stiefeln aufs Bett
hatte fallen lassen. Nur den Gürtel mit der Schwertscheide hatte er
abgeschnallt und neben dem Bett auf den Boden fallen lassen.
    Als er sich danach bücken wollte, schüttelte der Soldat hastig den
Kopf und machte sogar Anstalten, die Waffe mit dem Fuß davonzustoßen, wagte es aber dann doch nicht, sondern gab nur einem seiner Begleiter einen Wink, den Waffengurt aufzuheben.
    Andrej blinzelte müde und hob die Hand, um ein Gähnen zu verbergen, während er sich gleichzeitig verschlafen umsah. Insgesamt
fünf Soldaten befanden sich im Zimmer, und das waren eindeutig
mehr, als es zu einer Ehrenwache bedurfte, die ihn ins Zimmer des
Grafen geleiten sollte.
»Was zum Teufel ist denn passiert?«, murmelte er.
     
»Das kann ich Euch nicht sagen«, antwortete der Soldat, »aber der
Graf verlangt nach Euch. Sofort.«
    Andrej stand auf und wandte sich mit einem Achselzucken in Richtung Tür. Abu Dun wollte sich ihm anschließen, aber der Soldat hob
rasch die Hand und sagte: »Allein.«
    Abu Dun drohte zu explodieren, doch Andrej brachte ihn mit einem
beschwörenden Blick zum Schweigen und drehte sich dann betont
ruhig zu dem Soldaten um. »Dann schlage ich vor, Ihr versucht meinen Freund davon abzuhalten, mich zu begleiten«, sagte er in freundlichem Ton.
    Der Mann schluckte schwer. Sein Blick tastete unsicher über Abu
Duns Gesicht, und der Nubier ließ es sich natürlich nicht nehmen, die
Zähne zu einem Krokodilsgrinsen zu blecken. Offensichtlich hatten
die Männer auch ihn aus dem Schlaf gerissen, denn er war noch nicht
dazu gekommen, seinen Turban zu wickeln. Sein glänzender, kahl
geschorener Schädel machte ihn allerdings auch nicht gerade Vertrauen erweckender.
    »Also gut«, sagte der Soldat schließlich. »Einigt Euch mit dem Grafen. Ich habe nur den Befehl, Euch zu ihm zu bringen.«
»Ich lasse auch mein Schwert hier«, sagte Abu Dun grinsend.
Andrejs Meinung nach war diese Bemerkung höchst überflüssig,
aber er warf Abu Dun nur einen fragenden Blick zu, während er sich
umwandte, um den Soldaten zu folgen.
Auch draußen auf dem Gang herrschte eine angespannte Stimmung.
Die Männer, die ihnen begegneten, wichen Andrej und Abu Dun in
größerem Abstand aus, als notwendig gewesen wäre, und Andrej
versuchte vergeblich, ihre Blicke zu deuten: Sie konnten ebenso
angstvoll wie hasserfüllt sein.
Er war kaum noch überrascht, als sie wenig später von Salms Zimmer betraten und er den Ausdruck auf dem Gesicht des Grafen gewahrte. Etwas war passiert. Etwas Schlimmes.
»Graf«, begrüßte er von Salm. Der weißhaarige Adlige antwortete
nur mit einem knappen Nicken, dann runzelte er missbilligend die
Stirn, als sich Abu Duns breitschultrige Gestalt hinter ihm durch die
Tür schob. Verärgert sah er den Soldaten an, schluckte aber jedes
weitere Wort herunter und wartete nur mit unübersehbarer Ungeduld,
bis die Soldaten das Zimmer wieder verlassen und die Tür hinter sich
geschlossen hatten. Er hielt sich nicht mit einer Begrüßungsfloskel
auf, sondern begann übergangslos: »Ihr habt gestern Abend noch
einen Spaziergang unternommen, Andrej?«
»Ihr würdet diese Frage nicht stellen, wenn Ihr die Antwort nicht
schon wüsstet«, antwortete Andrej. Gestern Abend? Hatte ihn jemand beobachtet, wie er mit Frederic sprach - oder gar die untoten
Bestien gesehen, die in der Begleitung seines früheren Ziehsohns
gekommen waren?
Von Salm überging seine patzige Antwort. »Darf ich erfahren, wo
Ihr wart?«, fragte er.
Andrej hob die Schultern. »Da und dort. Warum?«
»Ihr wart dabei nicht zufällig im Goldenen Eber?«, erkundigte sich
von Salm.
»Im Goldenen Eber?« Andrej tauschte einen raschen Blick mit Abu
Dun, für den er sich selbst verfluchte, denn dieser konnte von Salm
keinesfalls entgehen. Vermutlich deutete er ihn als Ausdruck seines
schlechten Gewissens. Widerstrebend nickte er. »Ja.«
»Und ich nehme an, Ihr habt dabei auch mit Malik gesprochen, dem
Gastwirt«, vermutete von Salm.
»Was ist passiert?«, fragte Andrej unumwunden. »Ich bitte Euch,
sprecht nicht in Rätseln, Graf. Ich bin nicht in der Stimmung für solche Spielereien.«
»Ich auch nicht, Andrej«, antwortete von Salm leise. »Weiß Gott,
ich auch nicht.« Er ließ sich in seinen Sessel zurücksinken, legte den
Kopf gegen die geschnitzte Rückenlehne und schloss für einen

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