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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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gewinnbringend zu arbeiten. Mit gefälschten Daten könnte man ein paar arglose Investoren täuschen. Wenn dann das erste Geld überwiesen ist, verschwindet der Vorstand mit der Geldkassette.«
    Alex richtete sich auf. »Das würde die Vermessungsarbeiten erklären. Selbst für ein frisiertes Gutachten brauchen sie ein paar echte Daten, damit es glaubhaft klingt.«
    Die Wiege des Windes … Die Zeile schwirrte in Trevisans Kopf herum. In dem Gedicht ging es um die stete Brise draußen auf See, die Schiffe, die der Sturm in den Abgrund riss, die Wetterfronten, die aufs Land zugetrieben wurden. Vor der Küste gab es genug Wind, um hunderte Windkraftwerke zu betreiben.
    »Da steckt etwas anderes dahinter.« Trevisan erhob sich. »Alex und Johannes, kümmert euch bitte um die Vorführung heute Mittag in Norden. Ich habe noch etwas zu erledigen.«
    »Noch ein Alleingang?«, fragte Kirner herausfordernd.
    Trevisan wies zur Tür. »Sie sind herzlich eingeladen.«
    »Und wohin gehen wir?«
    »Behrend hat herausgefunden, dass sich die Kerle für einen schmalen Streifen im westlichen Bereich des Roten Sandes interessiert haben. Dort haben sie Vermessungsarbeiten durchgeführt. Jetzt will ich wissen, warum!«

40
    Viktor Negrasov ließ sich zurück auf die Polster sinken. Hilfe war auf dem Weg. Sie würden ihn nicht in dieser Hütte verrotten lassen, schließlich hatte er noch einen Trumpf in der Hand.
    Spät nachts, wenn der Sekt und die Frauen Romanow die Sinne vernebelt hatten, wurde er zuweilen redselig. Er hatte seiner rechten Hand in einer schwachen Minute ein Geheimnis anvertraut. Negrasov wusste, dass sich Romanow eine Rückzugsmöglichkeit offen gehalten hatte, seinen »Plan B«, falls alles den Bach runter gehen sollte. Zwar hatte Romanow immer gewusst, dass ihn dann ein unstetes Leben auf der Flucht erwarten würde, doch mit den Taschen voller Geld würde er zu überleben wissen. Nicht ganz das, was Romanow sich erträumt hatte, aber immer noch besser, als zwei Meter tief unter der Erde zu verfaulen.
    »Weißt du, Viktor«, hatte Romanow einmal zu ihm gesagt, »ein Jahr leben wie die Made im Speck wiegt zehn Jahre Enthaltsamkeit auf.« Auf irgendwelchen Banken schlummerten fast zehn Millionen Dollar, die nur darauf warteten, dass sie endlich unter die Leute kamen.
    Negrasov starrte in die beginnende Finsternis. Eine weitere Nacht brach über die Insel herein. Die Kälte, die langsam seine Glieder hinauf kroch, nahm er nicht mehr wahr. Er wusste nur, dass er durchhalten musste, bis Hilfe nahte. Eine tiefe Ohnmacht erlöste ihn aus seinen Leiden. Tief in sich kämpfte dieser Körper noch immer gegen die Schatten und das Erlöschen an. Erst im Schimmer des kommenden Tages würde sich herausstellen, wer in dieser Nacht als Sieger hervorgehen würde.
    *
    Kleinschmidt stand an der Reling der Sigtuna und versuchte, seine Meerschaumpfeife anzuzünden, doch immer wieder blies eine neue Böe die Flamme des Feuerzeuges aus. Er fluchte und suchte Schutz hinter dem Ruderhaus.
    Die beiden Kollegen von der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle des LKA, gekleidet in blaue Overalls, waren kaum älter als dreißig. Kleinschmidt hatte sie misstrauisch beäugt, als sie auf dem Schiff aufgetaucht waren. Sie hätten von Kriminaloberrat Kirner den Auftrag, den Kollegen von der Kripo Wilhelmshaven unter die Arme zu greifen, hatte der blonde Kollege gesagt, seinen Ausweis gezeigt und sich dann an Kleinschmidt vorbei über die Laufplanke an Bord begeben.
    »Diese Schnösel«, hatte sich Kleinschmidt gedacht. Doch als sie mit sicherer Hand die Stangen mit dem metallischen Konus am oberen Ende untersuchten, sah er ihnen gespannt zu. Er wusste, dass die Polizeiarbeit, vor allem was die Spurensicherung anging, zu einer Generationsfrage geworden war. Die Computertechnik hatte Einzug gehalten und nur wenige der älteren Kollegen versuchten sich wenigstens im Ansatz in die Materie einzuarbeiten. Neue Ermittlungsmethoden, DNA-Spurenvergleich, automatische, computergestützte Fingerabdruckvergleichsverfahren und eine ganze neue Art der Kriminalität, die durch die grauen Kästen selbst entstanden war, machten es notwendig, in der Zeit zu leben und zu denken. Kleinschmidt war kein Fossil, sein Motto hieß: Leben heißt, ständig dazuzulernen. Und so hielt er es auch mit der neuen Technik. Doch bei diesen sonderbaren Stangen, die Trevisan in der Kammer jenseits des Niederganges entdeckt hatte und die an Haltepfosten eines elektrischen Schafsgatters

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