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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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nach niedersächsischem Deichrecht und dann natürlich eine Befreiung nach Artikel 1 § 17 des Gesetzes über den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Erst dann können Sie die erforderliche Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz beantragen.«
    Eine solche Litanei von Genehmigungen und Erlaubnissen, das konnte Jahre dauern. Trevisan wandte sich zur Tür.
    »Aber sagen wir mal, die Genehmigungen der anderen Behörden sind erteilt«, schob Kirner nach. »Wäre es dann von Vorteil, wenn der Weg meiner Trasse durch ein Schutzgebiet der Zone vier führt?«
    Frau Greven lächelte entwaffnend. »Bei Zone eins und zwei hätten Sie überhaupt keine Aussicht auf eine Genehmigung, das können Sie mir glauben.«
    Kirner grinste. »Ich glaube, das genau habe ich mir auch gerade gedacht.«
    *
    Der Learjet mit der russischen Registrierung war um 15.34 Uhr auf dem Bremer Flugfeld gelandet und hatte seine zugewiesene Parkposition westlich des Abfertigungsgebäudes angefahren. Der Jet war auf die Ölgesellschaft Kallimov zugelassen und hatte nur einen Passagier an Bord, einen großen, stattlichen Mann mit einem schwarzen Aktenkoffer, der mit einer Kette fest mit dem rechten Handgelenk verbunden war.
    Der Mann strebte unter den skeptischen Blicken eines Zollbeamten direkt auf das General Aviation Terminal zu. Am Einreiseschalter legte er einen roten Pass in die dafür vorgesehene Box. Es war ein lettischer Diplomatenpass.
    »Was führt Sie nach Deutschland?« Eine Routinefrage, die der Zöllner am Tag hundert Mal stellte. Bei einem Diplomaten mehr als freundliche Geste gedacht.
    »Geschäfte«, antwortete der Mann knapp.
    »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt, Herr Savoloni.« Der Zöllner öffnete mit einem Knopfdruck die Durchgangsbarriere.

41
    Algardis Valonis hatte den dunklen Anzug und seinen Diplomatenkoffer mit Jeans und einer warmen Seglerjacke vertauscht. Das Sportboot hatte schon einige Jahre auf dem Buckel, doch der Motor, ein Inborder mit 125 PS, sprang auf den ersten Schlag an. 8500 Mark war ein angemessener Preis. Algardis Valonis, der sich nun James Raszinsky nannte, einen kanadischen Reisepass besaß und einen Motorbootführerschein für Binnen- und Seeschifffahrt vorweisen konnte, war zufrieden.
    Algardis oder auch James Raszinsky oder Isaak Savoloni hatte einen klaren Auftrag. Und bislang hatte er alle Aufgaben zur Zufriedenheit seiner Auftraggeber erledigt. Zweimal hatte er inzwischen vergeblich versucht, mit Viktor Negrasov Kontakt aufzunehmen. Jedoch hatte Viktor in seinem Anruf bereits angedeutet, dass sein Handy-Akku bald den Geist aufgeben würde.
    Die Flut kam kurz nach Mitternacht und Algardis nutzte die ruhige See. Die Überfahrt dauerte knapp dreißig Minuten. Er mied den Hafen und umrundete die Insel westwärts. Er drosselte den Motor und ließ das Boot über das Wasser gleiten. Im Schein seiner starken Bootsscheinwerfer entdeckte er eine Spitztonne, die nur wenige Meter vom Ufer entfernt im Wasser trieb. An der Tonne machte er das Boot fest. Vorsichtig lotete er aus, wie tief das Wasser an der Stelle war. Es reichte ihm etwa bis zum Knie. Mit Anglerstiefeln stieg er vorsichtig in das kalte Nass.
    Die Strandhütte, so hatte Viktor Negrasov beschrieben, lag nah an der Küstenlinie. Algardis watete an Land und versteckte seine Schutzkleidung hinter einer kleinen Anhöhe. In seinem Rucksack befand sich ein starker Strahler. Doch das schwache Licht der blassen Mondsichel reichte aus, um die Umgebung schemenhaft zu erkennen. Er stieß auf einen ausgetretenen Pfad, der am Strand entlang in die nahe Stadt führte. Der Lichtschein erhellte den Horizont. Minuten später erreichte er die Hütte. Einen Augenblick dachte er daran, leise nach Viktor Negrasov zu rufen. Schließlich konnte der Verwundete im Fieberwahn auf alles schießen, was in seine Nähe kam. Doch er entschied sich dafür, es nicht zu tun. Sicherheitshalber griff er nach seiner Waffe. Einer Beretta, Kaliber 9 mm. Er umrundete das Häuschen. Der Klappladen über dem kleinen Fenster an der Westfront war geschlossen. Also blieb nur die Tür, eine einfache Konstruktion aus zusammengenagelten Holzbrettern. Die Verriegelung war aufgebrochen. Im Schutz des Bretterverschlages zog er vorsichtig den Bügel nach außen. Die Tür schwang auf.
    Viktor Negrasov lag inmitten des Raumes auf aufgeschichteten Sesselauflagen. Sein Gesicht schimmerte weiß wie Kalk. Negrasovs Atem ging flach.
    Algardis beugte sich über ihn. Die

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