Die Wiege des Windes
Feststellungen wurden bereits 1996 positiv beschieden. Sowohl eine ström- und wasserpolizeiliche als auch eine emissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung wurden erteilt. Mit unserer Behörde hat das nichts zu tun.«
Kirner warf Trevisan einen entmutigten Blick zu. Er machte bereits Anstalten, sich zu erheben, als Trevisan den Lageplan aus der Manteltasche zog, den Onno Behrend erstellt hatte. Er reichte ihr den Bogen Papier. »Erkennen Sie das Gebiet?«
Frau Greven ging zu ihrem Schreibtisch. Aus einer Schublade zog sie eine Karte und legte den Bogen aus durchsichtigem Pauspapier darüber. »Das ist jetzt aber sonderbar«, murmelte sie.
Trevisan horchte auf. Kirner ließ sich wieder auf den Stuhl sinken.
»Gestern erst haben wir über genau diesen Abschnitt geredet«, fuhr sie nachdenklich fort. »Wir nennen ihn nach unserem Koordinatensystem AB 24.«
»Und was ist da draußen?«, fragte Trevisan.
»Eigentlich nichts. Nur ein paar Sandbänke.«
»Aber er gehört zum Schutzgebiet?«, setzte Kirner nach.
»Ja, schon, aber seit gestern ist es nur noch zugeordneter Bereich der Schutzzone vier. Also zur ökonomischen Nutzung weitestgehend freigegeben.«
»Und das war er bislang nicht?«
Die Frau schaute noch einmal auf den Plan. »AB 24, ganz sicher«, antwortete sie. »Gestern ging der Antrag durch, ihn von Schutzzone eins auf vier zurückzustufen.«
Kirner horchte auf. »Warum war er vorher Schutzzone eins?«
»Na ja, vor der Küste vollzieht sich ein ständiger Wandel. Deswegen müssen wir auch flexibel auf die Gegebenheiten reagieren. Wir haben verschiedene Interessengruppen. Fischer, die Wattführer oder auch Ausflügler. Ich habe Ihnen ja schon beim letzten Besuch erklärt, dass wir ein Miteinander …«
»Zone eins, jetzt Zone vier, warum?«, unterbrach Kirner ungeduldig.
»Wegen der Sandbänke«, antwortete sie. »Einige Seehunde haben die Bänke als Rastplätze benutzt. Doch offenbar sind sie im letzten Jahr weitergezogen. Es wurden stetig weniger. Jetzt ist das Gebiet leer.«
Trevisan warf Kirner einen Blick zu. »Ist das nicht ungewöhnlich?«
Die Frau lächelte. »Nein, das kommt schon mal vor. Die Robben ziehen den Beutetieren hinterher. Es gibt natürlich noch weitere Einflüsse, die ihre Population und ihr Revierverhalten beeinträchtigen oder verändern. Wir können nicht genau sagen, was es war, das die Tiere zum Weiterziehen veranlasste, aber es ist wirklich nicht ungewöhnlich.«
Wieder schien ein Ansatz zur Lösung des Falles im Sande zu verlaufen.
»Wie viel Anteil hat eigentlich Herr Liebler an der Zurückstufung dieses Gebietes?«, startete Kirner einen letzten Versuch.
Der Frau schien die Frage zu missfallen. »Das ist eine Entscheidung, die unsere Versammlung gemeinsam fällt und auch vertritt. Gut, es mag sein, dass Herr Liebler gerade in diesem Fall eine treibende Kraft war, aber es ist, wie gesagt, das Gleichgewicht, das wir suchen. Sicherlich werden wir bald wieder ein Schutzgebiet von vier auf eins aufwerten müssen. Fragen Sie nicht, wie viele Einsprüche es dann wieder geben wird. Jeder meint, ihm wird etwas weggenommen. Deswegen müssen wir auch manchmal nachgeben. Nur so schaffen wir den Einklang.«
Trevisan erhob sich und reichte der Frau die Hand. »Wir wollen Sie nicht mehr länger aufhalten.« Kirner folgte ihm zur Tür. Frau Greven folgte ihnen. Trevisan wandte sich noch einmal zu ihr um. »Wann wird eigentlich dieser Windpark gebaut?«
»Oh, das wird noch etwas dauern«, antwortete Freu Greven. »Zurzeit liegt noch kein Antrag für die Kabelanbindung vor.«
»Kabelanbindung«, wiederholte Kirner.
»Man muss den Strom, den die Windräder produzieren, ja auch an Land bringen, damit er ins Netz eingespeist werden kann.«
»Und diese Kabelanbindung führt dann wohl vom Roten Sand herüber auf das Festland, oder?«
»Natürlich, es wäre der direkte Weg. Stromtrassen sind teuer und müssen stetig gewartet werden. Je kürzer die Trasse wird, desto mehr Kosten werden eingespart.«
»Diese Kabeltrasse, wissen Sie, wo die entlangführen soll?«, fragte Trevisan.
»Ich sagte doch, es liegt noch kein Antrag vor«, erwiderte Frau Greven. »Außerdem werden wir genau prüfen, was durch unser Wattenmeer gebaut wird. Es darf keine Beeinträchtigung der Flora und Fauna darstellen. Zusätzlich brauchen Sie dann noch eine ström- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung der Bundeswasser- und Schifffahrtsverwaltung, eine wasserbehördliche Genehmigung, eine Genehmigung
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