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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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berichtete weiter. Von dem Anruf eines dubiosen Versandhauses und von ihrem Verdacht, dass die Kerle den alten Corde umgebracht haben mussten. Sie wusste noch nicht, wie viel Wahrheit in ihren Vermutungen steckte.
    Als sie von den Daten auf der CD berichtete, war Trevisan enttäuscht. Er hatte gehofft, den wahren Hintergrund für diesen Mordanschlag zu erfahren. Doch sein Wissensdurst wurde nicht gestillt.
    Nur einmal unterbrach er die Erzählung der jungen Frau. Auf die Frage, warum sie nicht sofort die Polizei gerufen hatte, antwortete sie: »Sie kennen meine Vergangenheit. Hätten Sie mir geglaubt, dass ich nichts mit der Bombe zu tun habe?«
    Trevisan überlegte, dann sagte er. »Ich habe noch immer die Hoffnung, dass sich am Ende stets die Wahrheit gegen die Lüge behauptet. Vielleicht ist das aber nur eine Illusion.«
    Sie lächelte zum ersten Mal. »Ich habe auch einmal auf die Wahrheit vertraut. Am Ende bekam ich Bewährung, verstehen Sie jetzt?«

39
    Er humpelte durch die Nacht. Die Richtung war ihm gleichgültig. Nur weg von diesem Inferno. Als die Hubschrauber kamen, hatte er sich wieder wie mitten auf dem Schlachtfeld gefühlt. Von wegen, »einfacher Auftrag« … Der alte Mann und das Mädchen hatten seine komplette Einheit aufgerieben. Er musste zu den Verlusten in Afghanistan noch weitere Namen hinzufügen. Wie viele, das konnte er nicht sagen. Er wusste nur, dass es Sniper und Ivan erwischt hatte.
    Die linke Seite seiner Wange war aufgerissen, doch der Schmerz in seiner Lende war schlimmer. Die Kugel hatte ihn oberhalb des Hüftknochens getroffen. Das Brennen machte ihn beinahe verrückt.
    Zwei Stunden hatte er regungslos in dem Wäldchen gelegen, mit Blättern und Ästen zugedeckt, um seine Entdeckung durch Infrarotkameras zu verhindern. Als es ruhiger geworden war, hatte er sich davongestohlen. Er brauchte ein trockenes und warmes Versteck, in dem er auf Hilfe warten konnte. Er war nicht scharf darauf, in irgendeinem deutschen Gefängnis zu verrotten.
    Während er die Strandpromenade entlanghumpelte, dachte er nach, was ihn verraten haben könnte. Und es blieb nur ein Schluss. Die Polizei wusste bereits viel mehr, als er und vor allem Romanow angenommen hatten. Das Spiel war zu Ende. Jetzt galt es, um das pure Überleben zu kämpfen.
    Der Strahl eines Suchscheinwerfers tastete wie der Arm eines Kraken in der Umgebung nach Beute. Doch er ging noch rechtzeitig in Deckung. Er hatte sich nicht getäuscht, die Fahndung war noch immer im Gange.
    Die Finsternis nahm zu, und Viktor Negrasov quälte sich im tiefen Sandboden Meter um Meter voran. Schemenhaft erkannte er in der Dunkelheit eine Hütte und stolperte darauf zu. Ein Bügelschloss sicherte die einfache Holztür. Er klemmte sein Messer in den Bügel und stemmte die Verriegelung aus dem Holz, zog seine Taschenlampe hervor und leuchtete in den kleinen Innenraum. Er hätte es gar nicht besser erwischen können. In den Regalen wurden Polsterauflagen von Strandkörben verwahrt. Er legte ein paar auf dem Boden aus und ließ sich erschöpft niedersinken. Aus seiner Brusttasche zog er sein Handy. Der Akku war nahezu erschöpft.
    Er wartete, bis sich sein Herzschlag im normalen Bereich einpegelte. Dann wählte er die Nummer.
    »Da«, erklang es leise aus dem Lautsprecher. Romanow schien nicht geschlafen zu haben.
    »Es ist schief gegangen.«
    »Was heißt schief gegangen?« In Romanows Stimme lag eine Spur Verzweiflung.
    »Die Bullen sind aufgekreuzt. Spezialeinheiten. Die wissen mehr, als wir glauben. Du musst mich abholen, ich bin verletzt.«
    »Das heißt, sie lebt noch und die CD ist immer noch in ihrer Hand.«
    »Da«, antwortete Negrasov kurzatmig.
    Dann ertönte Romanows eiskalte Stimme. »Dann schau selbst, wie du von der Insel kommst.«
    Das Knacken zeigte Viktor Negrasov, dass sein Boss das Gespräch beendet hatte. Wahrscheinlich würde der feige Hund einfach seine Koffer packen und verschwinden.
    Die Ladestandsanzeige des Mobiltelefons hatte um einen weiteren Strich abgenommen. Eine Möglichkeit gab es noch. Ein Ferngespräch, dessen Empfänger sich zweitausend Kilometer weiter östlich aufhielt. Eine Notfallnummer, denn es war nie gut, einem einzelnen Mann zu viel Vertrauen entgegenzubringen. Viktor Negrasov wählte.
    Das Gespräch dauerte eine ganze Weile. Es gab doch noch jemanden, der sich für sein Schicksal interessierte.
    *
    Zehn Uhr. Wilhelmshaven, Sonnenschein. Trevisan fluchte. Sein Wagen war auf dem Weg ins Büro in der Weserstraße

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