Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
Vom Netzwerk:
blutgetränkte Stelle auf der linken Körperhälfte war feucht. Ein denkbar schlechtes Zeichen. Er fasste dem Verwundeten ins Gesicht und fühlte die Hitze unter der Haut. Viktor Negrasov hatte die Schlacht mit dem Tod um die letzte Nacht gewonnen. Und doch war das Ende nah.
    Algardis steckte die Pistole zurück ins Halfter. In seiner Tasche befand sich ein kleines Alkoholfläschchen. Er benetzte sein Taschentuch und fuhr dem Sterbenden über das Gesicht. Als Algardis leicht seine Wangen tätschelte, erwachte der Russe.
    Algardis beugte sich über den Verletzten. »Erkennst du mich?«
    Viktor wandte den Kopf ab. »Kalt … Ich spüre nichts …«
    »Freund«, antwortete Algardis. »Es geht zu Ende mit dir. Deine Wunde hat sich entzündet. Ich will dir die Wahrheit sagen, du wirst die nächsten Stunden nicht überleben.«
    »Bist … bist du gekommen … gekommen um mich zu… holen?« Die geschwächte Stimme ging in ein heiseres Flüstern über.
    »Romanow«, antwortete Algardis kalt. »Er wird über dich lachen, wenn er irgendwo am Pool liegt und die zarte Haut der Mädchen streichelt.«
    »… er soll … er soll wissen … er soll wissen, warum er stirbt … versprich mir, dass du … du es ihm sagst … er war nicht … loyal.«
    Algardis nickte. »Ich werde ihm einen Gruß bestellen. Einen letzten Gruß von dir. Aber du musst mir sagen, was du weißt.«
    Viktor nickte unmerklich. »Plan B … hat er gesagt …«
    Stockend erzählte er, was Algardis Valonis wissen wollte. Die letzten Worte des Sterbenden galten allein seiner Rache an dem Mann, der ihm seine Hilfe verweigert hatte: Romanow.
    Man sagt, kurz vor dem Ende ziehe noch einmal das Leben wie ein Spielfilm an einem vorbei. Doch Viktors Film blieb schwarz. Er sah nichts außer einem schwarzen Schatten, der plötzlich von einem gleißenden Licht durchbrochen wurde. Mit zunehmender Helligkeit kehrte die Wärme in seinen Körper zurück, eine Wärme, die in einem Glühen verendete.
    *
    Der Morgen des Dreikönigtages begann mit Nieselregen und leitete eine stürmische Woche ein. Tiefausläufer zogen mit schweren Regenfällen und niedrigen Temperaturen auf das Festland zu. Trevisan schlug den Mantelkragen höher, als er aus seinem neuen Wagen stieg. Am gestrigen Abend hatte er eine wahre Odyssee hinter sich gebracht. Nach Dienstschluss hatte er einen Abschleppdienst angerufen, der sich um den alten Opel kümmern sollte. Doch der Abschleppwagen war umsonst an die angegebene Stelle gefahren. Der Opel fehlte. Trevisan, der den Weg zu Fuß zurückgelegt hatte, stand wie ein begossener Pudel am Straßenrand und schaute ratlos die Straße hinunter.
    »Kein Wunder«, rief ihm der Mann vom Abschleppdienst zu. »Da ist Halteverbot. Ihr Wagen wurde bestimmt abgeschleppt.«
    Der Mann sollte recht behalten. Nach einer schier endlosen Irrfahrt über verschiedene Stellplätze fand Trevisan sein Vehikel auf dem Gelände eines Abschleppunternehmens im Osten der Stadt. Der Inhaber arbeitete noch in seiner Werkstatt und war trotz der fortgeschrittenen Stunde nett und freundlich. Als ihm Trevisan am Ende anvertraute, dass er bei der Polizei arbeitete und der Corsa einen Defekt habe, öffnete der Mann kurzerhand die Motorhaube. Er brauchte nicht lange, um festzustellen, dass der Opel einen kapitalen Motorschaden hatte. Gegen elf verließ Trevisan den Hof in einem mitternachtsblauen Ford Mondeo. Ein echtes Schnäppchen, hatte der Mechaniker versprochen und Trevisan hatte nicht lange gezögert und den Kaufvertrag unterschrieben. So fuhr er am nächsten Morgen zuerst noch eine große Runde, bevor er den Wagen im Hof der Dienststelle parkte.
    Im Konferenzzimmer warteten Alex, Johannes und Kleinschmidt auf ihn, der den vorläufigen Spurensicherungsbericht vor sich liegen hatte. Auch vom LKA waren inzwischen wichtige Erkenntnisse übermittelt worden. Der Mann, der auf Langeoog auf Trevisan geschossen hatte und tot im Haus von Onno Behrend aufgefunden worden war, wurde in Österreich gesucht. Er war ein Mörder, Dieb und Erpresser. Heribert Stadler, mit Spitznamen Sniper, war neunundzwanzig und stammte aus Innsbruck. Gegen ihn bestanden mehrere Haftbefehle der österreichischen und auch der italienischen Behörden. Einen Mord an einem Juwelier in Salzburg, ein Tötungsdelikt im Zusammenhang mit Diamantenschmuggel in Genua, Totschlag im Zusammenhang mit einem Bandenkrieg unter russischen und albanischen Zuhältern im achten Wiener Bezirk und diverse andere Delikte warf der Staatsanwalt ihm

Weitere Kostenlose Bücher