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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Bank of Bahamas war nur knapp zehn Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Für Privatkunden gab es einen Hintereingang, der bis 18.00 Uhr besetzt war. Für die Nacht mietete er sich ein Zimmer im Plaza-Hotel unmittelbar in Bahnhofsnähe, denn schon am nächsten Morgen um 07.12 Uhr würde er mit dem Intercity weiter nach München fahren. Eine schwarze Reisetasche befand sich in seinem Gepäck, dennoch blieb er gelassen, Grenzkontrollen gab es nicht mehr. Um die Einlagen in Deutschland abzuholen, war ihm nur noch der Freitag geblieben. Als er nach all den Strapazen des vergangenen Tages sein Hotelzimmer in München aufsuchte, ging er mit der Gewissheit unter die Dusche, dass er nie mehr Geschäfte in Deutschland machen würde. Dieses Land war viel zu schwerfällig, zu gesetzestreu und hatte Regeln, die kein vernünftiger Mensch kapierte. Selbst wenn man kurz nach Ladenschluss noch einkaufen wollte und der lächelnden Verkäuferin mit einem Hunderter zuwedelte, blieb die Tür geschlossen. So etwas würde ihm nie mehr im Leben passieren. Dieses Land würde er von nun an meiden wie die Pest.
    *
    Der Spaziergänger hatte sich in einen dicken Parka gehüllt und die Kapuze über dem Kopf verschnürt. Das Schmuddelwetter blieb ihm nicht erspart, denn sein stattlicher Labrador brauchte Auslauf. Angesichts des nahen Wassers und des weitläufigen Sandstrandes gab der Hund keine Ruhe mehr. Der Spaziergänger beugte sich hinab und öffnete den Verschluss der Leine. Der schwarze Labrador raste hinunter zum Wasser. Eine anlandende Welle brach sich im Sand. Unverhofft getroffen, verbellte er vehement das feuchte Element, doch schon schoss er wieder davon und verschwand im Schatten der nahen Holzhütte. Mit aufgerichteter Schnauze im Wind umrundete er den hölzernen Verschlag und begann, an der Tür zu scharren.
    »Rufus, komm weiter!«
    Der Labrador ließ sich nicht bezähmen. Als der Hundehalter den Schuppen erreichte, hatte Rufus schon ein großes Loch in den Boden vor der Tür gegraben. Er fasste seinen Hund am Halsband und leinte ihn wieder an. Als er sich aufrichtete, bemerkte er die aufgebrochene Tür. Einen Augenblick zögerte er, doch dann siegte die Neugier. Er zog am Bügel und die Tür schwang auf. Erschrocken fuhr er zusammen. Im Halbdunkel erkannte er den Körper eines Menschen. Nie zuvor in seinem Leben war er so schnell zurück in die Stadt gelaufen.
    *
    Trevisan beobachtete die kleinen Regenperlen, die auf der Fensterscheibe herabrannen, ehe sie sich am Fensterhaken zu einem kleinen See sammelten, um kurze Zeit später wieder der Schwerkraft zu verfallen und im Ungewissen zu verschwinden. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf das Fensterbrett. Schon seit einer Stunde telefonierte Kirner im Büro nebenan mit dem Kollegen, den er Dawarisch nannte.
    Der kommissarische Leiter der Nationalparkverwaltung Wattenmeer, Horst Liebler, wohnte in Oldenburg. Die Temperaturen lagen nahe dem Gefrierpunkt und der Radiosprecher hatte bereits von mehreren gesperrten Straßen wegen der hohen Zahl von Unfällen aufgrund überfrierender Nässe berichtet. Wenn Kirner nicht bald ein Ende fand, würde Trevisan hinübergehen und eigenhändig das Gespräch beenden. Kaum hatte er den Gedanken gefasst, klopfte es an der Tür.
    »Endlich!«, stöhnte Trevisan und griff nach seinem Mantel. Es klopfte erneut. »Ja, verdammt, zuerst die Zeit verbummeln und jetzt hetzen«, antwortete er. Doch als er die Tür öffnete, sah er in das überraschte Gesicht von Kriminalrat Beck.
    »Oh, Sie wollen gehen? Vielleicht sollten wir uns kurz mal unterhalten.« Beck schlängelte sich an ihm vorbei ins Zimmer.
    Trevisan schloss die Tür. Sein Vorgesetzter nahm sich den Sessel in der Ecke und gab Trevisan ein Zeichen, ebenfalls Platz zu nehmen. Trevisan erwartete ein Klagelied wegen Kleinschmidts Einsätzen auf den Inseln. Prompt stimmte Beck die Elegie an.
    »Als ich vorschlug, dass Sie das FK 1 übernehmen, dachte ich eigentlich an unseren Zuständigkeitsbereich. Aber der Kollege Trevisan hält ganz Friesland und die Inseln für sein Jagdrevier. An Zuständigkeitsregelungen denkt er offenbar nicht.«
    Beck legte sich zurück und ließ seine Worte wirken. Vielleicht dachte er, den vermeintlichen Missstand besonders intelligent aufgezeigt zu haben, oder er war nur wortverliebt und wunderte sich über seine sprachlichen Fähigkeiten. Trevisan wusste es nicht, es war ihm egal, die Kritik prallte an ihm ab.
    »Ich meine«, sagte Beck, »nachdem wir alle unser Budget

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