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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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zog sich einen Stuhl heran und ließ sich stöhnend nieder, während Alex sich am Fenster platzierte, um den Fremden eindringlich zu mustern. Dichte, schwarze Haare, an der Schläfe leicht angegraut, fast aristokratisch wirkende Züge und nahezu schwarze Augen. In Gedanken verankerte der junge Polizeibeamte alle Punkte, die bei einer Personenbeschreibung wichtig gewesen wären. Wenn es auch nicht notwendig war, so war es immer eine gute Übung, schärfte Wahrnehmung und Verstand. Ein weiteres auffälliges Merkmal war die Größe des Mannes. Auch im Krankenbett war sein enormer Wuchs nicht zu übersehen.
    »Wir sind von der Kripo Wilhelmshaven.« Johannes Hagemann zeigte seine Polizeimarke.
    Der Dunkle starrte weiterhin ohne Regung an die Decke.
    »Na gut, dann eben nicht. Sie wissen ja wohl, warum Sie hier sind und warum Sie verhaftet wurden.« Johannes Hagemann zog einen Zettel aus seiner Jacke. »Ich habe es mir aufgeschrieben, damit ich auch wirklich nichts vergesse.« Theatralisch faltete er den Zettel auseinander. »Also, was haben wir denn alles … Mordversuch an zwei Polizeibeamten auf Norderney, gemeinschaftlicher Mordversuch an Onno Behrend und Friederike van Deeren, ebenfalls auf Norderney, Menschenraub mit Todesfolge zum Nachteil von Hilko Corde, Mordversuch zum Nachteil von Uwe Töngen, Mordversuch zum Nachteil des stellvertretenden Bezirksdirektor Esser in Oldenburg und Mord zum Nachteil von Björn Larsen in Wilhelmshaven. Das ist eine ganz schöne Litanei. Ganz zu schweigen von Verstößen gegen das Waffengesetz und so weiter und so fort. Also, wenn Sie mich fragen, dann reicht das gut für Lebenslänglich.«
    Es war, als rede man mit einer Statue. Johannes wandte sich dem uniformierten Kollegen vom Polizeirevier Norden zu. »Hat er denn überhaupt schon etwas gesagt?«
    Der Beamte schüttelte den Kopf. »Noch nicht mal danke, als ich ihm das Kopfkissen aufschüttelte.«
    »Wie wäre es dann, wenn Sie uns einfach mal als Zeichen Ihres guten Willens Ihren Namen verraten«, sagte Johannes, dem Verletzten zugewandt.
    Wieder keine Reaktion.
    »Na ja, egal. Schreiben wir halt einfach Der Unbekannte an die Zellentür. Namen sind sowieso nicht wichtig. Beweise zählen und aus dieser Sache kommen Sie nicht mehr heraus.«
    Kein Zeichen des Verstehens, nur ab und zu schlössen sich seine Augenlider. Doch die Bewegung war automatisch.
    »Wir haben Ihre Fingerabdrücke und eine Blutprobe.« Johannes erhob sich und stellte den Stuhl zur Seite. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir wissen, wer Sie sind. Und unsere Richter sind mit allzu starrköpfigen Kerlen nicht zimperlich.«
    Er gab Alex einen Wink und ging zur Tür.
    »Wissen Sie, wann er verlegt wird?«, wandte sich Johannes Hagemann noch einmal dem uniformierten Beamten zu.
    »Ich denke, noch im Laufe des heutigen Tages.«
    »Ich habe Larsen nicht umgebracht, auch mit Corde und dem Direktor habe ich nichts zu tun«, erklang plötzlich die tiefe Stimme des Verletzten.
    Sein Akzent war nicht zu überhören. Eine slawische Muttersprache, tippte Johannes. »Und die anderen Vorwürfe?«
    Der Mann hatte seine dunklen Augen auf Johannes Hagemann gerichtet. »Was bekomme ich dafür, wenn ich rede?«
    *
    Nach dem Telefonat mit Johannes Hagemann waren Trevisan und Kirner pünktlich um acht Uhr losgefahren. Liebler arbeitete heute nicht, er hatte frei. Es dauerte fast eineinhalb Stunden bis nach Oldenburg. Sie parkten ihren Dienstwagen und stiegen aus.
    Vor dem blauen Mehrfamilienhaus mit den weißen Fensterrahmen stand ein schwarzer, frisch polierter Mercedes SLK. Trevisan fuhr sanft mit der Handfläche über den Lack. »Und deswegen verrät jemand all seine Ideale …«
    Kirner wandte sich zu ihm um. »Überzeugungen sind etwas Schönes, aber es ist immer die Frage, wie viel davon bleibt, wenn man langsam alt wird und erkennt, dass die Träume, die man hatte, niemals in Erfüllung gehen werden. Eingebettet in einen Alltag voller Gleichförmigkeit, jeden Tag das gleiche Spiel. Kein Fortkommen. Weder nach oben noch nach unten. Wenn einem jemand in dieser Phase eine Chance bietet, doch noch seinen Traum zu leben, was ist dann?«
    Trevisan schmunzelte. »Wusste gar nicht, dass ich einen Philosophen an meiner Seite habe.«
    »Haben Sie nicht auch schon mal darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn einer käme …«
    Trevisan legte den Kopf nachdenklich in den Nacken. »Meine Frau hat mich vor ein paar Monaten verlassen. Sie hat meine Tochter mitgenommen. Es gab schon

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