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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Ölzeug neben ihr. Die wenigen Laternen im Hafen verströmten ein warmes und angenehmes Licht. Sie waren schon ein paar Schritte in Richtung Stadt gegangen, als sich Rike plötzlich umdrehte.
    »Ich hab was vergessen«, rief sie Corde zu und rannte zurück zur Molly.
    *
    Die Boeing 737 der Lufthansa, Flugnummer LH 0414 aus Moskau, landete pünktlich um 07.14 Uhr in Hamburg-Fuhlsbüttel. Die Beamten an der Passkontrolle fertigten die knapp einhundertvierzig Passagiere des Linienfluges rasch ab. Vorwiegend Geschäftsleute und Firmenangehörige befanden sich an Bord.
    Der großgewachsene Mann mit dem schwarzen Aktenkoffer und dem braunen, etwas altmodisch wirkenden Anzug legte als Letzter seinen litauischen Reisepass in die Schublade. Algardis Valonis aus Kaunas war Geschäftsmann. Doch Kaunas hatte er schon seit Jahren nicht mehr gesehen, denn eigentlich lebte er in Sankt Petersburg. Er kam aus Litauen, aber er fühlte sich noch immer als Bürger der Sowjetunion. Für ihn war die alte Zeit, als man Russland und auch Litauen in der Welt noch als die mächtige UdSSR gekannt hatte, zweifellos die bessere gewesen. Damals hatte er eine schnieke, braune Uniform getragen, eine rot-goldene Schildmütze und die silberfarbenen geflochtenen Schulterstücke eines Majors der Roten Armee. Besonders stolz war er auf die weiß-blaue Ehrenschnur und die vielen Orden und Auszeichnungen auf seiner Brust gewesen, die ihn als hochrangigen Angehörigen einer Spezialeinheit der Infanterie und Träger der goldenen Einzelkämpferspange ausgewiesen hatten.
    Afghanistan war eine Station in seinem Leben, wenngleich dies ein unrühmliches Kapitel der damaligen Roten Armee darstellte. Doch auch auf den Schlachtfeldern in Asien und Afrika war er zu Hause gewesen. Als Militärberater, Ausbilder oder als Fachmann für Spezialaufgaben. Diese Zeiten hatten ihn geprägt. Sein dunkles, wettergegerbtes Gesicht, die kurzgeschorenen dunklen Haare und die tief liegenden, ebenfalls dunklen Augen gaben ihm ein zähes und unfügsames Aussehen. Seine Autorität und sein eiserner Wille waren ihm anzusehen.
    »Was führt Sie nach Deutschland?«, fragte der BGS-Beamte hinter dem Schalter.
    »Geschäfte«, antwortete Algardis mit tiefer Stimme.
    Der Beamte blätterte in dem grünen Reisepass. Dann griff er zum Stempel und drückte ihn auf eine freie Seite. »Einen schönen Aufenthalt«, sagte er und gab den Pass zurück.
    Algardis holte seinen großen, braunen Koffer von der Gepäckausgabe ab. Der Zollbeamte am Einreiseschalter, der mit kritischem Blick die Menschen musterte, die an ihm durch die enge Gasse vorübergingen, streifte Algardis Valonis nur mit einem kurzen Blick. Mit einem Wink gab er dem Reisenden den Weg durch die Kontrolle frei.
    Algardis ging durch die Schleuse in die geräumige und gut geheizte Ankunftshalle und bestellte sich an der kleinen Kaffeebar einen Espresso. Er hatte kaum den Kaffee vor sich stehen, als zwei Männer an ihn herantraten. Einer war fast ebenso groß und dunkelhaarig wie Algardis. Der andere, einen Kopf kleiner, trug eine goldfarbene Brille und hatte ein dickes Pflaster an der linken Schläfe.
    »Valonis?«, fragte der Mann mit der Brille.
    Algardis Valonis musterte die beiden Männer abfällig. »Wer will das wissen?«, fragte er mit deutlichem Akzent.
    »Romanow schickt uns«, sagte Sniper. »Wir haben einen Wagen draußen.«
    Valonis trank aus und folgte den beiden zum Ausgang.
    *
    Martin Trevisan war von seinem Radiowecker unsanft aus einem unruhigen Schlaf gerissen worden. Nach dem gestrigen Arbeitstag hatte er noch bei Tante Klara vorbeigeschaut. Sie würde Paula vom Bahnhof abholen, sollte er nicht rechtzeitig aus Greetsiel zurück sein. Dennoch würde er versuchen, so schnell wie möglich wieder da zu sein. Er hatte vor, die Tage mit Paula zu genießen. Auch wenn er jetzt als designierter Leiter des 1. Fachkommissariats der Wilhelmshavener Kripo viel um die Ohren hatte. Der Sonntag war auf alle Fälle für seine Tochter reserviert.
    Der alte Opel Corsa stand vor der Garage. Er setzte sich hinter das Steuer und startete. Vergeblich, der Wagen sprang nicht an, obwohl er die Batterie vor kaum einem Jahr erst eingebaut hatte. Der Corsa war schon weit über zehn Jahre alt. Eigentlich hatte er ihn vor zwei Jahren für Grit gekauft. »Ich hänge immer hier herum und komme nicht weg, wenn du mit dem Wagen zur Arbeit fährst«, hatte sie damals geklagt.
    Im März lief der TÜV ab. Er würde sich wohl nach einem neuen Auto

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