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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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erklang.
    »Hat er sich extra aus England liefern lassen«, bemerkte Corde.
    Einen Augenblick später wurde die Tür geöffnet. Ein kräftiger Mann mit einem grauen Vollbart erschien. Nur wenige Zentimeter größer, und er hätte nicht aufrecht durch den Eingang gepasst. »Ich dachte schon, ihr würdet gar nicht mehr kommen«, sagte er mit einer tiefen, brummigen Stimme.
    »Das ist Rike«, antwortete Corde und schob sie ins Licht.
    »Onno Behrend, angenehm, Sie kennen zu lernen«, antwortete der Hüne. »Auch wenn der Grund dafür nicht rosig ist. Ich dachte bislang immer, Weihnachten sei das Fest der Liebe. Kommt herein in die gute Stube.«
    Mit einer einladenden Geste gab er den Eingang frei. Im Inneren des kleinen Häuschens war es angenehm warm. Rike öffnete die Jacke.
    »Legen Sie ruhig ab.« Behrend wies auf die Garderobe in der Ecke des Flurs. Er führte sie in ein Wohnzimmer mit dunklen, schweren Möbeln. Der Eichenschrank zählte wahrscheinlich schon mehr als hundert Jahre, dazu gab es ein passendes Sofa. In der Ecke stand ein mächtiger blauweiß gestreifter Ohrensessel so am Fenster, dass man von dort bequem nach draußen blicken konnte. Der Hocker mit dem passenden Bezug verstärkte den gemütlichen Eindruck des Arrangements. Weiße Deckchen, Blumenvasen und Schalen, Ölbilder mit Szenen der Nordsee an den Wänden und viele kleine Nippesfigürchen in der Vitrine des Schranks vermittelten Rike den Eindruck eines Museums, das von der friesischen Lebensart vor hundert Jahren zeugte.
    Onno Behrend wies auf das Sofa. »Setzt euch, ihr werdet müde sein. Ein heißer Tee ist jetzt das Richtige.« Auf dem runden Tisch stand auf einem blau-weiß gemusterten Stövchen eine gleichfarbige Teekanne, aus deren Tülle kleine Dampffäden entschwebten. »Es ist zwar nicht die richtige Stunde, aber das richtige Getränk für die Jahreszeit.« Mit dem Löffel nahm er ein Stück Kandis und legte ihn in eine Tasse. »Noch einen?«
    Rike schüttelte den Kopf.
    Onno Behrend griff zur Teekanne und schenkte heißen, schwarzen Tee darüber. Anschließend ließ er ein paar Tropfen Milch in die Tasse gleiten. Die Milch breitete sich aus und hinterließ einen dünnen Film auf dem Tee.
    »Zuerst die Erde, dann das Wasser und die weißen Wolken schweben darüber«, rezitierte er und schenkte auch für Corde Tee ein. »Wissen Sie eigentlich, dass vor fünfhundert Jahren hunderte von Menschenseelen für eine gute Tasse Tee geopfert wurden?«
    »Onno ist durch und durch Friese«, sagte Corde lächelnd.
    Behrend schenkte sich ebenfalls ein und ließ sich im Ohrensessel nieder. »Nun erzählen Sie mal.«
    Schweigen breitete sich aus. Rike schaute Corde fragend an.
    »Na los, Mädchen!«, ermunterte Onno Behrends. »Als mich Hilko anrief und mir die rührselige Geschichte erzählte, kam mir das gleich spanisch vor. Hilko und ich kennen uns seit ewiger Zeit. Ich merke es, wenn er flunkert. Das kann er nämlich gar nicht. Also raus mit der Sprache. Wer ist hinter Ihnen her?«
    Hilko Corde war die Situation sichtlich unangenehm. »Onno, ich musste … , ich suchte … , ich … ich glaube, ich bin dir eine Erklärung schuldig.«
    »Ich will es von dem Mädchen hören, du hast schon genug gesagt.«
    Rike stellte die blau gemusterte Teetasse zurück auf den Tisch. »Die Polizei ist hinter mir her«, sagte sie mit krächzender Stimme. »Ich werde gesucht, wegen Mordversuchs, aber ich habe nichts mit der Sache zu tun, das müssen Sie mir glauben.«
    »Nun erzählen Sie mir schon Ihre Geschichte und ich werde Ihnen sagen, ob ich Ihnen glaube.«
    Und so begann Rike von Larsen zu erzählen. Von dem roten Schiff draußen im Roten Sand, von der Briefbombe, von dem Kriminaloberrat, der nach ihr suchte, und von ihren Erlebnissen im Südpolarmeer. Und am Ende erzählte sie von Larsens spurlosem Verschwinden.
    »Können Sie sich erklären, wie Ihre Fingerabdrücke auf das Briefkuvert gekommen sind?«
    »Ich denke, Larsen hat einen meiner Umschläge verwendet. Ich habe auf seinem Computer einen Forschungsbericht geschrieben. Es ging um den Zustand des Wattenmeers und die nachhaltigen Schädigungen durch negative Umwelteinflüsse.«
    Behrend nickte. »Wissen Sie, ich glaube Ihnen. Aber ich verstehe nicht … wenn Sie doch überhaupt nicht in Deutschland waren, als die Briefbombe überbracht wurde, dann können Sie es doch auch nicht gewesen sein.«
    »Sie kennen die Polizei nicht«, konterte Rike. »Ich hatte schon oft Gelegenheit, ihre Arbeitsweise am

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