Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
Vom Netzwerk:
eigenen Leib zu spüren. Die glauben nur, was ihnen in den Kram passt.«
    »Dann haben Sie aber ein sehr schlechtes Bild von unseren Ordnungshütern.«
    »Wenn ich ehrlich bin, dann glaube ich nicht mal, dass Larsen hinter dem Anschlag steckt. Er hat sich zwar in den letzten Monaten sehr zum Nachteil verändert, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er so weit gehen würde.«
    »Und Sie haben keine Ahnung, wo er sich aufhalten könnte?«
    »Das Einzige, was er mir hinterlassen hat, ist ein Brief. Und das hier.« Rike holte ein schwarzes Kästchen aus ihrer Jacke und legte es auf den Tisch. »Ich glaube, es hängt mit dem roten Schiff zusammen.« Sie öffnete die Schatulle und entnahm eine silbern glänzende Scheibe.
    »Eine CD«, sagte Onno Behrend.
    »Ich glaube, dass darauf wichtige Informationen enthalten sind, die Klarheit in die Angelegenheit bringen könnten.«
    Onno Behrend erhob sich. Er nahm ihr die CD aus der Hand und drehte sie zwischen seinen Fingern. Unter dem Firmenaufdruck des Herstellers war mit einem Filzstift W24 darauf vermerkt.
    »Dann schauen wir doch einfach mal nach«, sagte er lächelnd.
    *
    Kriminaloberrat Kirners gestriger Besuch auf dem Polizeirevier in Wilhelmshaven hatte nichts Wesentliches erbracht. Larsen war schon seit Monaten nicht mehr aufgefallen und keiner der Kollegen hatte ihn in der letzten Zeit gesehen. Aber die Streifenbeamten, die bereits mit ihm zu tun gehabt hatten, bescheinigten ihm eine aufbrausende und jähzornige Wesensart.
    Heute war Kirner früh aufgebrochen. Sein Ziel war die Seehundeaufzuchtstation in Norddeich. Dort hatte Larsen gearbeitet, bis ihm vor einem knappen Jahr fristlos gekündigt worden war. Was damals vorgefallen war, konnten Kirners Männer nicht herausfinden, deshalb hatte er sich kurzerhand entschlossen, selbst hinzufahren. Je mehr er sich mit dem Fall beschäftigte, desto mehr neigte er zu der Ansicht, dass Larsen allein hinter dem Attentat steckte. Möglicherweise hatte Larsen ein Kuvert von seiner Freundin benutzt, ohne zu ahnen, wie verfänglich es für sie werden konnte. Aber warum meldete sich die junge Frau nicht? Hielt Friederike von Deeren noch immer an Larsen fest, der ihr mit seiner Tat eine schier unverdauliche Suppe eingebrockt hatte? Nur mit viel Glück und ehrlicher Offenheit hatte sie vielleicht noch eine Chance, ungeschoren davonzukommen.
    Kirner parkte seinen Wagen auf dem großen Parkplatz vor dem Fußweg zur Seehundaufzuchtstation. Der Tag war ausgesprochen mild. Offenbar hatte der gestrige Sturm die beißende Kälte der vergangenen Woche tief ins Landesinnere geweht. Den grauen Wolken am Himmel war jedoch nicht zu trauen.
    Am verschlossenen Zugang zu dem Areal gab es keine Klingel, also ging Kirner am Zaun entlang. Rechts neben dem Tor musste sich eine kleine Tür befinden, das hatte ihm Doktor Elvers, der stellvertretende Leiter der Station, erklärt. Im Winter blieben die Besucher aus, deshalb blieb das Hauptzugangstor geschlossen.
    Kirner fand die Tür und auch die dazugehörige Klingel, und keine Minute später stand er einem riesigen, aber spindeldürren Mann gegenüber, dessen Gesicht so faltig und narbig erschien wie ein zerfurchter Acker im März. Er steckte in einem blaugrauen Arbeitsmantel und kaute auf einer Zigarette.
    »Doktor Elvers?«, fragte Kirner. »Wir haben telefoniert. Mein Name ist Helmut Kirner vom Landeskriminalamt.«
    Elvers öffnete das Tor und zeigte den halbdunklen Gang entlang. Er ging voran. An den Wänden des Flures hingen Schautafeln mit Landkarten und Großaufnahmen von Sandbänken im Wattenmeer. In einer dunklen Vitrine war ein Seehundbaby aus Plüsch ausgestellt. Eine lange Schaufensterfront gestattete den Blick auf ein Becken, mit grünlich schimmerndem Wasser. In einer Ecke kauerten dunkle Körper dicht an dicht aneinander gepresst. Elvers öffnete die Tür zu einem weitläufigen Saal mit einer Leinwand an der Stirnseite. Moderne, dunkle Holzstühle standen in Reih und Glied.
    Schließlich erreichten sie Elvers’ Büro in einem abgeschirmten Seitenflügel des Gebäudetraktes. Elvers bot Kirner einen Stuhl an und ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder. »Sie interessieren sich für Larsen? Darf ich nach dem Grund fragen?«
    Kirner räusperte sich. »Ich ermittle in einem Attentatsversuch auf einen ranghohen Beamten der Bezirksregierung. Eine Briefbombe, genauer gesagt.«
    »Und wer war Ziel des Anschlages?«
    Kirner überlegte kurz. Schließlich war er es, der die Fragen zu stellen

Weitere Kostenlose Bücher