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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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umschauen müssen, denn ob der Corsa noch einmal die Untersuchung bestand, war fraglich. Trevisan orgelte erneut. Stotternd kam der Motor auf Touren. Trevisan gab Gas. Stinkender, schwarzer Qualm quoll aus dem Auspuff, als er hinaus auf die Straße fuhr. Heute Abend musste er den Opel unbedingt in die Garage stellen, damit der ihm morgen nicht wieder den Dienst versagte.
    Um acht war Trevisan endlich auf der Dienststelle. Dietmar Petermann wartete schon ungeduldig auf ihn. Er trug eine hellbeige Jacke und hatte einen blau-weißen Schal zweimal um den Hals geschlungen. Seine Nasenspitze war rot.
    »Gott sei Dank«, seufzte Dietmar. »Hoffentlich sind wir bis Mittag wieder hier. Meine Schwiegermutter kommt zum Kaffee.«
    »Ich hab auch was vor«, entgegnete Trevisan. »Hast du den Wagenschlüssel?«
    Dietmar zeigte den Schlüsselbund in seinen Händen und schob die Glastür auf. Keine fünf Minuten später öffnete sich die Schranke und sie bogen aus der Hofeinfahrt in die Peterstraße ein. Über Schortens, Wittmund, Großheide und Norden fuhr Dietmar langsam und vorsichtig nach Greetsiel. Die Straßen waren nass und die Strecke durch die kleinen Wäldchen war bei Temperaturen um den Gefrierpunkt besonders tückisch.
    »Wir schauen erst einmal, ob der Kutter im Hafen liegt.« Dietmar bog in die lange Allee ein. Auf dem großen Parkplatz vor der Brücke stellte er den Wagen ab.
    »Weißt du denn, wo sein Schiff liegt?«, fragte Trevisan.
    Dietmar Petermann zog einen Werbeflyer für Kutterausflugsfahrten aus seiner Jackentasche. Der Liegeplatz der Molly war eingezeichnet.
    Schon von weitem sah man die Masten der unzähligen Kutter auftauchen. Ein idyllisches Postkartenpanorama. Eine steinerne Treppe führte über die Böschung zur Kaimauer hinunter, doch der Platz der Molly war leer.
    »Seltsam«, bemerkte Dietmar. »Gestern Nacht muss er noch hier gewesen sein. Zumindest wurde mir das von den Kollegen aus Norden gemeldet.«
    »Dann ist er wohl heute früh hinausgefahren.«
    »Oder nach zweiundzwanzig Uhr«, entgegnete Dietmar. »Vorher lag er nämlich noch am Liegeplatz, haben mir die Kollegen mitgeteilt.«
    In einem benachbarten Restaurant fegte ein junger Mann dürre Blätter und kleine Äste von der Veranda, die der Sturm von den Bäumen gerissen hatte. Trevisans Magen knurrte. »Wie wäre es mit einem Frühstück?«
    Dietmar nickte. Sie schlenderten zum Restaurant, das sich idyllisch an den Mühlkanal gegenüber der Brücke schmiegte.
    »Moin«, grüßte Trevisan den jungen Angestellten. »Gibt es bei Ihnen schon Kaffee?«
    »Eigentlich haben wir noch geschlossen«, erwiderte der Kellner. »Aber einen Kaffee und frische Brötchen können wir Ihnen bestimmt schon anbieten.«
    Trevisan zeigte in Richtung des Liegeplatzes der Molly. » Der Kutter ist heute wohl schon früh hinausgefahren?«
    »Corde? Als ich um sechs hinausschaute, war er schon weg.«
    »Wohl die beste Zeit zum Fischen.«
    »Corde fischt nicht mehr. Er macht nur noch Touren und Ausflugsfahrten.«
    »Ist es dann nicht ungewöhnlich, dass er so früh und auch noch bei Sturm rausfährt?«
    Der Kellner schüttelte den Kopf. »Er macht ab und an auch Versorgungsfahrten oder bringt Passagiere rüber zu den Inseln. Ich denke, er kommt bald wieder zurück. Jetzt mache ich Ihnen erst mal ein ordentliches Frühstück, dann sehen wir weiter.«
    Trevisan lächelte den Kellner freundlich an und folgte Dietmar ins Restaurant.

16
    Onno Behrends weißes Häuschen lag außerhalb der Stadt hinter der Wetterwarte in einem kleinen Stichweg, der vom Januskopf herführte und verbarg seine Fassade hinter drei hohen Birken. Die Dunkelheit wurde von den wenigen Straßenlaternen durchbrochen. Der Sturm hatte zugenommen und der Regen ging in Schnee über, der in den Lichtkegeln der Laternen zur Erde tanzte. Hilko Corde atmete schwer. Rike stützte ihn, während sie sich dem Haus näherten.
    »Er ist noch wach«, sagte Rike, als sie das Licht im Fenster zur Straße bemerkte.
    »Auf ihn ist Verlass«, keuchte Corde. »Er wartet sicher auf uns.«
    »Was hast du ihm über mich erzählt?«
    »Dass du Ärger mit deinem Freund hast und eine Zeit lang untertauchen musst. Ich hasse es, ihn belügen zu müssen.«
    Rike verzog das Gesicht zu einem Grinsen. »Im Grunde genommen ist das sogar die Wahrheit.«
    Ein goldener Türknauf in der Mitte verlieh der grünen, mit Schnitzereien verzierten Tür aristokratische Würde. Corde griff drehte den Knauf. Der satte Gong einer Schiffsglocke

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