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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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eingeklemmt worden und musste von der Feuerwehr aus dem Wrack befreit werden. Über vier Stunden blieb die Straße gesperrt, bis die Unfallstelle mit einem Kranwagen geräumt werden konnte.
    Der Polizeioberkommissar und sein Kollege, ein junger Obermeister, hatten bis zum Schluss dort im Nieselregen ausharren müssen und die Unfallstelle abgesichert. Nun war es bereits nach zehn Uhr und der Magen des Obermeisters knurrte begehrlich.
    »Fahren wir über Mansie zurück, da kannst du dir was zu essen holen«, entschied der Oberkommissar.
    Der junge Obermeister lenkte den Streifenwagen durch das Wäldchen. Am Himmel türmten sich die dunklen Wolken. Der Obermeister schaltete das Abblendlicht ein. »Da kommt ein richtiges Sauwetter auf uns zu.«
    »Das gibt ein Silvester …!«, erwiderte der Kollege. »In diesem Jahr werden uns die Böller und Raketen wohl im Regen absaufen.«
    Plötzlich bremste der Obermeister. »Da war was!« Er legte den Rückwärtsgang ein und fuhr ein paar Meter zurück bis an einen kleinen Waldweg, der nach links abzweigte.
    »Wo, ich sehe nichts …?«
    Der Obermeister bog in den Waldweg ab. Plötzlich blitzten rote Rückleuchten im Scheinwerferlicht auf. Abseits des Weges, zwischen den Bäumen, stand ein verlassener Wagen. Der Obermeister fuhr direkt hinter das Fahrzeug und stoppte.
    »Ist das ein Unfall?«, murmelte der Kollege und stieg aus.
    Am Wagen, einem älteren blauen Peugeot, stand die Fahrertür offen. Die Bäume und Büsche um ihn herum waren schwarz vor Ruß. Der vordere Teil des Wagens und die Fahrgastzelle waren ausgebrannt. Nur der Kofferraum, der noch in den Waldweg hineinragte, war unversehrt geblieben. Vorsichtig umging der Polizeibeamte die Tür und warf einen Blick in den Wagen. Erleichtert atmete er auf. Der Innenraum war zwar bis auf das Metall verbrannt, doch der Anblick einer verkohlten Leiche war ihm erspart geblieben.
    »Schau mal, ob das Kennzeichen vorn auch weg ist!«, rief der Kollege. Ihm war aufgefallen, dass am Heck kein Nummernschild angebracht war. »War da nicht eine Fahndung?«
    *
    Flug LH 714 hob planmäßig um 09.20 Uhr von der Startbahn in Frankfurt ab. Unzählige Geschäftsleute bevölkerten die Businessclass. Moskau war schon vor Jahren in den Mittelpunkt des deutschen Interesses gerückt. Als die Maschine langsam an Höhe gewann, legte sich der Passagier auf dem Sitz 34 zurück und griff nach dem Kopfhörer seines Walkmans. Er schaltete das Gerät ein und das Capriccio italien von Peter Tschaikowsky, interpretiert von der Sankt Petersburger Staatskapelle, erklang. Ein zufriedener Seufzer kam über seine Lippen, ehe er die Augen schloss.

20
    Trevisan hatte den Sonntag mit seiner Tochter verbracht. Seit langem hatte er sich nicht mehr so glücklich gefühlt. Gemeinsam waren sie am Morgen aufgestanden, hatten gefrühstückt und waren dann nach Wilhelmshaven ins Hallenbad gefahren. Mittags waren sie durch die Stadt gebummelt. Und obwohl er wusste, dass es ein Fehler war, sie mit materiellen Dingen zu überschütten, hatte er ihr am Samstag eine Frisier- und Schminkpuppe gekauft. Grit würde ihn dafür in der Luft zerreißen.
    Am Abend hatte Paula Lust zum Schlittschuhlaufen, und er war mit ihr ins Eisstadion gefahren. Trevisan war sogar selbst mit geliehenen Kufen aufs Eis gegangen, obwohl er früher immer Grit vorgeschickt und sich mit einem Glühwein in der Nähe des kleinen Verkaufsstandes niedergelassen hatte. Wenn er auch anfänglich bedrohlich schwankte und sich an die Bande klammerte wie ein Betrunkener, so hielt er es Paula zuliebe durch. Am Ende drehte er ein paar Runden mit seiner Tochter und nur einmal ging er leicht in die Knie. Paula hatte gelacht und gejauchzt und er wusste, was er so lange vermisst hatte.
    Als Paula am Sonntagabend eingeschlafen war, saß Trevisan noch lange auf der Bettkante und schaute wehmütig in das friedliche Gesicht seines Mädchens. Ihre Füßchen reichten beinahe bis zur Bettkante. War sie gewachsen, oder hatte er vergessen, wie groß seine Tochter schon geworden war? Er streichelte ihr über die Stirn und schob ihr zärtlich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Er wollte ihn festhalten, diesen Augenblick, seine Tochter nie mehr loslassen, doch er wusste, wie schnell ihre gemeinsame Zeit zu Ende gehen würde. Bald würde Paula wieder in einen Zug steigen und aus seinem Leben verschwinden. Sie würde den Sonnenschein der letzten Tage mit sich nehmen und Leere und Düsternis zurücklassen. Er hätte sich gern ein

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