Die Wiege des Windes
Schlüsselbund befand. Außerdem ist die DNA-Probe des Toten mit dem Speichel unseres Briefmarkenklebers identisch.«
»… der vielleicht gar nicht Larsen war, sondern ein Bekannter oder irgendjemand aus der Gruppe. Letztlich bringt nur der Vergleich mit Larsens DNA-Probe Gewissheit. Am Montag ist die Abteilung wieder besetzt. Ich habe Druck gemacht, und ich denke, bis Dienstag haben wir ein klares Ergebnis.«
»Dann gehen wir zumindest inzwischen davon aus, dass Larsen tot ist«, entschied Kirner. »Ach ja, und teilen Sie den Kollegen in Wilhelmshaven mit, was wir herausgefunden haben. Es reicht, wenn Sie ein kurzes Telex schicken, ich werde mich in den nächsten Tagen mit Trevisan treffen.«
Köster wandte sich um und eilte zur Tür.
»Ach, Köster«, meldete sich Kriminaloberrat Kirner noch einmal zu Wort. »Gibt es schon Nachricht aus Lettland?«
Köster lächelte. »Ich denke, eher fliegen wir zum Mond.«
*
Im kalten und heftigen Wind war der Fußweg zu Töngen äußerst beschwerlich. Trevisan versuchte sich mit seinem Mantelkragen vor der Kälte zu schützen, doch die Böen bliesen ihm mitten ins Gesicht. Dietmar hatte die Kapuze seiner gelben Daunenjacke weit über den Kopf gezogen, so dass sein Gesicht nahezu vermummt war. Dicke Fäustlinge aus dem Fundus der Polizeiboutique sowie gefütterte, halbhohe Goretex-Stiefel vervollständigten seine Ausrüstung. Zwar sah er aus wie ein wandernder Gartenzwerg, aber offensichtlich fror er dafür nicht. Ganz im Gegensatz zu Trevisan, der unter dem beigen Trenchcoat lediglich eine dunkles Jackett und einen dünnen, rostbraunen Rollkragenpullover trug. Die Halbschuhe und die dünne Stoffhose schützten ebenso wenig. Trevisan schlotterte entsetzlich.
»Warum rennst du so?«, nörgelte Dietmar hinter ihm.
»Mein Gott, ich friere«, schrie Trevisan gegen den Wind an.
Dietmar beschleunigte. Kaum hatten sie die Höhe erklommen, fiel ihr Blick auf das Haus, das sich malerisch in das Wäldchen schmiegte, fast so, als wolle es sich ebenfalls vor dem Wind und dem Frost verbergen.
Trevisan sah eine Bewegung zwischen dem Wohnhaus und der Scheune. Instinktiv duckte er sich. Zwei schoben einen dritten auf die Haustür zu. Dieser wehrte sich heftig. Dann trafen ihn ein paar Schläge am Kopf und am Bauch. Er taumelte auf die Haustür zu und wurde von einem seiner Widersacher regelrecht durch die Tür in das Haus geworfen. Alle drei verschwanden im Flur. Das Brausen und Tosen des Windes hatten den Schall über die Insel verstreut, doch Trevisan meinte einen dumpfen Schrei vernommen zu haben.
»Was ist denn los?«
Die Frage holte Trevisan aus seiner Starre. Er wandte sich um. Dietmar nestelte an dem Reißverschluss seiner Jacke.
»Hast du das gesehen?«, fragte Trevisan angespannt.
»Was soll ich gesehen haben?«
»Na, die Männer vor dem Haus«, erklärte Trevisan. »Ich bin mir sicher, einer davon ist Töngen. Die haben ihn zusammengeschlagen. Getreten und geboxt und dann ins Haus befördert. Sag mal, wo hast du deine Augen?«
»Tut mir leid, mein Reißverschluss ist aufgegangen«, antwortete Dietmar. »Und was machen wir jetzt?«
»Wir brauchen Verstärkung. Ruf das Polizeiboot, es kann noch nicht weit gekommen sein. Und dann läufst du wie ein ganz normaler Wanderer den Weg entlang bis zum Haus. Dort wartest du, bis ich pfeife. Ich arbeite mich von hinten heran.«
Halbhohes Buschwerk erstreckte sich entlang eines kleinen Steinriegels und führte nördlich vom Weg direkt zur Scheune. Lediglich die Schafsgatter musste Trevisan überwinden.
»Deine Waffe ist geladen?«
Dietmar öffnete mit seinen Fäustlingen unbeholfen die Jacke. Schließlich zog er seine Handschuhe aus. »Mir gefällt das nicht«, sagte er und überprüfte den Zustand seiner Pistole, doch Trevisan rannte bereits entlang des Gebüsches geduckt in Richtung Norden. Dann verschwand er aus Dietmars Sichtfeld.
»Der spinnt, wir hätten warten sollen«, murmelte Dietmar und steckte die Handschuhe in seine Jackentaschen. Anschließend griff er nach dem Handy.
Trevisan war inzwischen am ersten Schafgatter angekommen. Mühelos überstieg er die Balken und schlich sich hinüber zur Scheune. An der Außenwand verharrte er und horchte. Nur das Rauschen des Windes erfüllte die Luft. Langsam kam Dietmar den Weg entlanggeschlendert. Aber er sah nicht wirklich aus wie ein harmloser Spaziergänger. Er wirkte eher wie ein unbeholfener Jäger auf der Pirsch. Trevisan schüttelte den Kopf.
Die Automatikpistole im
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