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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Leben strickt, in dem ihre Tochter keinen Platz mehr hat.«
    Trevisan hatte sich auf den Bettrand gesetzt und starrte auf den blauen Läufer. »Ich stecke mitten in einem Mordfall. Die halbe Abteilung hat sich aufgelöst und Johannes ist schwer krank. Ich weiß genau, wie sie sich fühlen muss, aber ich kann nichts tun. Nicht jetzt.«
    »Du musst zumindest mit ihr reden«, entgegnete Tante Klara.
    »Ich habe es am Sonntag versucht, aber ich konnte nicht«, erklärte Trevisan. »Ich wollte nur, dass sie sich glücklich fühlt. Ich will nicht, dass sie auch noch zum Zankapfel zwischen mir und Grit wird.«
    »Du musst mit Grit reden. Wenn sie nicht in der Lage ist, sich um ihre Tochter zu kümmern, dann lass Paula nicht mehr zu ihr zurück.«
    »Und wie soll ich das machen? Ich habe einen Job und bin manchmal bis spät in die Nacht unterwegs. Soll ich kündigen?«
    »Was ist dir wichtiger, deine Tochter oder dein Beruf?«
    »Sie fehlt mir.«
    »Deine Frau?«
    »Paula.«
    »Dann nimm sie zu dir, bevor das Kind an eurer Trennung zerbricht.«
    »Ich habe es mir schon hin und her überlegt. Ich dachte schon daran, eine Tagesmutter zu suchen. Aber ich weiß nicht, ob ich es mir leisten kann. Grit will monatlich ihr Geld und ein Hauptkommissar verdient kein Vermögen.«
    »Hast du eigentlich schon mal daran gedacht, mich zu fragen?«
    Trevisan schaute seiner Tante ins Gesicht. »Du weißt, was eine solche Entscheidung bedeutet?«
    »Wenn ihr es schon nicht schafft …! Ich bin für sie da. Ich habe mit Hans lange und ausführlich geredet.«
    »Aber Grit wird nie zustimmen«, gab Trevisan zu bedenken. »Und Frauen haben bei Scheidungen heutzutage immer die besseren Karten. Wenn Grit nicht will, kann es nicht funktionieren.«
    »Dann wirst du sie überzeugen müssen«, erwiderte Tante Klara. »Paula weiß ganz genau, wo sie bleiben will. Heute war übrigens Svenja hier bei uns. Du hättest deine Tochter lachen hören sollen. Hinterher hat sie mir anvertraut, dass sie schon lange keinen so schönen Tag mehr erlebt hat. Du musst es für das Kind tun. Sonst weiß ich nicht, was passiert.«
    *
    Als Trevisan an diesem Abend ins Bett ging, schaute er seiner schlafenden Tochter noch lange ins Gesicht. Die kleinen blonden Strähnen fielen ihr über die Stirn. Sie sah friedlich aus, glücklich und zufrieden. Er würde mit Grit reden. Aber diesmal nicht am Telefon. Er würde nach Kiel fahren und ihr sagen, dass Paula bei ihm bleiben musste, wenn sie nicht vor die Hunde gehen sollte. Er würde es ihr direkt ins Gesicht sagen.

24
    Der rote Kreuzer stampfte durch die aufbrausenden Wellen. Der Wind erreichte beinahe Windstärke 9. Gischt schwappte über die Reling und klatschte gegen die Scheiben des Ruderhauses. In der Gegend um die Otzumer Balje war kein weiteres Schiff unterwegs. Die Kutterkapitäne hatten ihre Schiffe in den Häfen vertäut und warteten das Ende des Sturmes ab. Von den Freizeitkapitänen ganz zu schweigen. Nur erfahrene Seemänner kamen mit dieser Witterung klar. Zumal die Küstengewässer mit ihren Untiefen so manche Gefahr für die Schiffe bargen. Auch der Fährverkehr war eingestellt.
    Die Sigtuna war als ehemaliger Robbenjäger für schwieriges Gewässer gebaut. Und der Steuermann verstand sein Handwerk. Er hatte schon schwierigere Situationen gemeistert. Heute lautete sein Auftrag »Fährdienst«. Ein Passagier für Langeoog. Die Maschinen liefen auf voller Kraft und trieben den schlanken Schiffskörper mit hoher Geschwindigkeit auf die Insel zu. Fast zwölf Knoten ging das Boot in der Dünung. Der Gast hatte es eilig. Er wurde erwartet.
    Die Sigtuna mit der Kennung NH- C 210 legte um 09.27 Uhr am Ostanleger des Langeooger Hafens an.
    *
    Die Bäume bogen sich unter der Kraft des Windes. Einige übrig gebliebene braune Blätter krallten sich mit schwindender Kraft an ihren Halt, ehe sie hinauf zum Himmel gerissen wurden, um nach einem schaukelnden Flug wieder der Erde entgegen zu schweben. Sturmflut hatte das Radio für die kommenden Tage gemeldet. Die ersten Ausläufer einer atlantischen Sturmfront hatten Wilhelmshaven bereits in der Nacht erreicht.
    »Ich frage mich, ob wir die Fahrt nicht besser verschieben.« Dietmar Petermann starrte nachdenklich auf die Birken vor dem Fenster der Polizeiinspektion.
    »Was sagen die Leute vom Küstenschutz?« Trevisan strich sich das Gähnen aus dem Gesicht. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Immer wieder hatte er an seine Tochter und an Tante Klaras warnende Worte

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