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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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ihr weder das Gelb der Wohnzimmerwände gefiel noch die bunten, indischen Tücher, die Hilde neben ihre verwischten Ölkreidebilder gehängt hatte. »Hübsch, oder?«, bemühte Erna sich, auch aus ihrem Mann Zustimmung herauszukitzeln.
    »
Sehr
«, log er unglaubwürdig.
    »Vorhänge willst du keine?«, fragte Erna, die ihrer Wut auf Anton keinen Raum geben wollte. »Weshalb kann er nicht einfach über seinen Schatten springen und so tun, als gefiele ihm, was seine Tochter macht?«
    »Nein, ich brauche ungefiltertes Sonnenlicht im Zimmer.« Hilde stellte Schüsseln mit Dal, Reis, Erdäpfeln und Tofu in Currysauce auf den festlich gedeckten Tisch. Anton saß schon an seinem Platz. Er war zielsicher, ohne sich den Rest der Wohnung anzuschauen, auf den Esstisch zugesteuert. Er beäugte die aufgetischten Speisen mit großem Unbehagen. Ihm dämmerte, dass es diese Weihnachten keinen gebackenen Karpfen, keine Gans, ja nicht einmal Ente mit Rotkraut und Erdäpfelknödeln geben würde. Er schnaufte voller Selbstmitleid aus beiden Nasenlöchern, verlor aber kein abschätziges Wort. Das hatte er Erna versprechen müssen. Wenigstens Wein gibt’s, dachte er und schenkte sich ein. Erna hatte ihn tatsächlich bereits Wochen vor dem Besuch bearbeitet. Er solle sich mit seinen Kommentaren zurückhalten, die Stimmung nicht verderben, hatte sie gemeint, drei Stunden würde das sogar er aushalten, wo er doch seine Tochter seit ihrem Auszug und seine Enkelin das erste Mal sehen würde.
    Magda Cerny stand noch immer neben der Eingangstür. Hilde hatte ihr den Mantel abgenommen, ihre Pelzhaube an den Haken gehängt, aber nun schien Magda vergessen zu haben, was man in einer fremden Wohnung gemeinhin so tat. Sie fuhr sich im Nacken gegen ihre Haare.
    »Komm Oma, setz dich«, half Hilde ihr zum Tisch.
    Magda machte kleine Zappelschritte. Sie stützte sich auf Hildes Unterarm, überlegte, wer die junge Frau mit den langen roten Haaren denn sein könnte und in wessen Wohnung sie hier war. Es dauerte lange, bis sie auf dem Sessel Platz fand, den Hilde ihr unter das Gesäß schob. Immer wieder musste sie ein Stück zur Seite rutschen und saß dann doch eher auf der Sesselkante als auf der Sitzfläche. Das ging alles nicht mehr so gut. Ihre Beine spielten ihr ständig Streiche. Ihre Augen unterstützten diesen Unfug auch noch. Die gaukelten Distanzen vor, die nicht gegeben waren, oder blendeten einfach wichtige Details aus. Deshalb stolperte Magda häufig über Teppichecken, knöchelte am Gehsteigrand um und in das Auto ihres Sohnes einzusteigen, war ihr ein Gräuel. Auch die vielen bunten Pillen, die Magda von den lieben Ärzten verschrieben bekam und die aus der Küchenlade quollen, schienen das Problem nicht lösen zu wollen. Eher neckten sie Magda, weil sie auf den Küchenboden fielen, wo sie nicht mehr gesehen und schon gar nicht aufgehoben werden konnten.
    »Wie geht’s dir denn, Oma?« fragte Hilde, beugte sich dabei zu Magda hinunter und berührte sie an den Schultern. Sie war dünn geworden. Nicht abgemagert wie Amalia Panticek kurz vor ihrem Tod, aber doch so knochig, dass eine Vorbereitung auf selbigen angekündigt wurde.
    »Wenn das der Franzl noch erleben könnt« – eine weinerliche Stimme entfuhr Magda. Ihre Augen röteten sich und schwammen wie gewohnt in Tränenflüssigkeit. Vor drei Jahren war Franz Cerny verstorben. Er hatte Atemnot verspürt, war zum Wohnzimmerfenster gegangen, fand keine Erleichterung und ließ sich in den Fauteuil fallen. Seine Frau war neben ihm gestanden und hatte »Franzl, Franzl!« gerufen. Herzinfarkt. Aus. Seither baute Magda sukzessiv ab. Ihr Interesse an ihrer Umwelt nahm parallel zu ihrem Körpergewicht ab. Sie blieb in ihrer Wohnung, langweilte sich vor dem Fernseher, beweinte den Verlust ihres Mannes.
    »Des würd ihm gefallen, dem Franzl«, sagte sie und meinte dabei den Festtagstisch, besonders die gefüllten Weingläser.
    »Hallo, Urgroßoma«, Helena, die bisher von ihrem Zimmer aus die Eintreffenden beobachtet hatte, stand nun neben Magda. Die alte Dame erschien ihr von allen am lustigsten. Ihre verbogenen Beine steckten in einer braunen Strumpfhose, ein witziges Handtäschchen mit langen Bambusbügeln hing ihr am Unterarm, dauernd fuhr sie sich durch ihre kurzen grauen Haare. Außerdem gefiel Helena Magdas schwarzes Kleid, an dem eine schillernde Brosche haftete. »Ich setz mich zu dir, Urgroßoma«, entschied sie und kletterte auf den Sessel neben Magda.
    »Das kannst du aber gut.«

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