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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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das Benno anschneidet, liegt auch nicht gerade in der Luft:
    »Sag mal, was hältst du eigentlich von Energiesparlampen?«
    »Die Bezeichnung ›Energiesparlampe‹ allein ist schon eine Lüge«, höre ich Berta sagen, »das sind quecksilberhaltige Kompaktstoffleuchten.« Sehe Berta mit weißem Schutzanzug, Gasmaske und einem Sack voller Lampen einen Konferenztisch umrunden. CEOs der Firma
Osram
in dunklen Anzügen, die verschreckt Bertas Vortrag zuhören, während sie pausenlos Lampen auf den Boden wirft. Versuche ruhig zu bleiben, denn Bertas Geschichte ist nicht für Bennos Ohren bestimmt. Außerdem, wer weiß, ob die Geschichte tatsächlich wahr ist? Mir kommt sie fantastisch vor, so wie alles, was Berta an jenem »Abend der Bekenntnisse« behauptet hat. »Warum fragst du?«, will ich von Benno wissen.
    »Weil doch eine große Diskussion über das EU-weite Glühbirnenverbot in Gang ist.«
    Könnte ihm Bertas Meinung dazu geigen, bleibe aber stumm.
    »Schenken Sie mir bitte einen Augenblick lang Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit«, soll Berta unter der Gasmaske hervorgeschrien haben. Dabei hat sie eine Lampe an der Tischkante zerbrochen und dem nächstbesten Vorstandsmitglied an die Halsschlagader gehalten. »Flach atmen, rate ich Ihnen, sonst bohren sich zu all dem Quecksilber in Ihrer Lunge noch spitze, weiße Glassplitter in Ihre Haut. Flach atmen und zuhören«, hat sie gesagt und ihre Vorwürfe bezüglich Qualitäts- und Preisabsprachen, Kartellbildung, Lobbying und Bestechung hoher EU-Beamter sowie Abschiebung der Recycling-Verantwortung auf Endverbraucher vorgebracht.
    »Obwohl ihr genau wisst, dass es keine geeignete Wiederverwertung von Quecksilber gibt. Aber das ist euch scheißegal, bei sechs Milliarden Konzernumsatz jährlich kümmert euch Quecksilber in der Atemluft nicht.« Berta war enttäuscht von den nichtssagenden Gesichtern der Vorstände, hat sie mir erzählt. »So unschuldig wie Autofahrer, die zu krebserregenden Dieselabgasen befragt werden«, hätten sie dreingeschaut. Berta hat ihre Runden um den Konferenztisch fortgesetzt und permanent Lampen zerbrochen. »Aber vielleicht wird der eine oder andere nach dem heutigen Tag über Haarausfall klagen, unter Konzentrationsstörungen und Erinnerungsschwierigkeiten leiden. Möglicherweise revidieren Sie dann Ihre medialen Unbedenklichkeitsbezeugungen und geben endlich zu, was für skrupellose, geldgierige Arschlöcher Sie sind.« Aber nichts haben sie zugegeben. Bertas zertrümmerter Lampenvorrat hat den Boden des Besprechungszimmers bedeckt. Sie soll sich mit den Worten: »Wenn Sie noch die Güte hätten, den Raum zu lüften, bevor Sie das Reinigungspersonal rufen«, verabschiedet haben.
    Benno erfährt nichts davon.
    »Du, Toni kauft für mich ein, mir ist egal, ob Glühbirne oder Lampe«, erkläre ich unbeteiligt. Berta hat mir erzählt, sie habe sich nach der Aktion umgezogen und als Putzfrau das Bürogebäude des Münchner Lampenerzeugers verlassen. »Das ist das Schöne am Leben der Entmachteten, sie sind unverdächtig und werden kategorisch übersehen. Wer sollte schon eine Putzfrau aufhalten?«, hat Berta gemeint.
    »Dann hast du gar nichts von dem Überfall vor einigen Monaten auf die Osram-Zentrale mitbekommen?«, fragt Benno.
    »Das mit dem Quecksilber, meinst du?« Er nickt und sein Blick bohrt sich auf meine Netzhaut. Drehe mein Gesicht zur Seite, damit er dort bloß keine Bilder von Berta aufschnappt. »Nur das, was ich online darüber gelesen habe.«

FORTSETZUNG VERHÖRPROTOKOLL, 24. JULI 2012
    Dass in Helen dramatische innere Veränderungen vorgehen, hab ich ungefähr Ende Juni mitbekommen. Ich meine, das war die heiße Phase der Vorbereitungen, da hab ich sie nicht permanent unter Beobachtung haben können. Außerdem hat sie mir einen ausgeglichenen, zufriedenen Eindruck gemacht, das hat mich beruhigt und entlastet. Richtig wahrgenommen hab ich sie erst wieder, als Benno mit den Holzbrettern angefahren ist. Zuerst hab ich geglaubt, der spinnt, weil er schnurstracks in Helens Garten gegangen ist und alles in eine Ecke gestapelt hat. Aber Helen hat sich zu ihm gesellt und ihm geholfen. Ich hab geglaubt, ich sehe nicht recht. Helen lässt jemanden einen Teil ihres Gartens besetzen? Ich weiß nicht, wie, aber Benno hat das Unmögliche geschafft. Mit seiner offenen Frohnatur wird er sie entwaffnet haben, hab ich mir gedacht. Er wird ohne Vorbehalte auf sie zugegangen sein und ihr geholfen haben, ihr materielles Festhalten zu lösen.
    [...]

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