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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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überreichte jedem von ihnen ein Blatt Papier.
Gutschein für einen Brunnen
, stand darauf. Ihre Eltern schauten sie ahnungslos an. »Ich habe in eurem Namen für die Aktion
Menschen für Menschen
gespendet. Damit werden Brunnen in Äthiopien gebaut.« Leda wusste sehr wohl, dass ihre Eltern nicht viel von Entwicklungshilfe hielten. Aber die gute Tat würde ihr Karma indirekt verbessern, hoffte sie.
    »Die is deppat«, war Anton überzeugt. Erna machte ihm Augenzeichen, jetzt bloß nicht die Nerven zu verlieren. Helena schenkte auch ihnen bunte Pappmaché-Kugeln. »Frohes Fest«, sagte sie und strahlte ihre Großeltern glücklich an. Mit breiten Beinen stand sie vor ihnen, spielte mit ihrem langärmeligen, roten Hängekleid und hatte ihren Kopf in den Nacken gelegt, um nur ja die Gesichter von Oma und Opa gut zu sehen.
    Da, mein Schatz, das ist von uns.» Erna überreichte ihrer Enkelin ein kleines Paket und ein riesiges Paket.
    Helena berührte das glatte, glänzende Geschenkpapier ehrfürchtig. Bei ihrer Mutter gab es nie solches Papier, sondern nur Zeitungs- oder braunes Packpapier. »Danke«, lächelte sie verlegen. Ihr war klar, dass sie die Geschenke auspacken sollte, aber sie fand sie bereits verpackt so schön und wollte sie nicht zerstören. »Na, los«, ermutigte Erna ihre Enkelin. »Danke«, sagte Helena nochmals. Behutsam begann sie mit dem Fingernagel das Tixo wegzukratzen. Es dauerte lange. Beinahe hielt sie es nicht mehr aus. Denn Helena hatte, schon nachdem der erste Tixo-Streifen entfernt war, unter dem Papier den blau-rosa Schriftzug sehen können. Ihr Herz hatte plötzlich zu rasen begonnen. Ihre Füße zappelten, waren voller Freude, wollten weg, gleichzeitig hierbleiben und springen. Aber Helena durfte auf gar keinen Fall das Papier beschädigen. Sie streifte es glatt, faltete Kante auf Kante, legte es auf ihren Kinderschreibtisch. »Das hebe ich mir auf«, erklärte sie ihren Großeltern, »das ist was Besonderes.« Helena betrachtete die Abbildung auf der Kartonverpackung. Ein Barbiehaus. Sie schlang ihre Arme um Ernas Beine, drückte ihr Gesicht auf die Oberschenkel ihrer Oma.
    »Na, komm her, meine Süße.« Erna hob sie hoch, hielt sie fest und schmatzte ihr einen Kuss auf die Wange. »Es gefällt dir?«, spielte sie die Überraschte.
    »Sehr, ganz viel«, strampelte sich Helena wieder frei, um das Haus weiter auszupacken. Sie nahm Antons Hand. »Komm, hilf mir, Opa.« Sie führte ihn zu ihrem Karton. Sie wusste, dass darin das Barbiehaus in Einzelteilen steckte und zusammengebaut werden musste. Anton setzte sich neben Helena auf den Boden. Zunächst befreiten sie die Teile des Hauses aus der Verpackung, dann bauten sie es nach beiliegender Anleitung, die Helena nicht aus den Augen ließ, zu einem dreistöckigen Turm aus Pappe, Plastik und Rosa. Als Anton einen hohlen Quader, bestehend aus vier Plastiksäulen, einer Decken- und einer Bodenplatte an einer Schnur als Lift einsetzte, fiel ihm Helena um den Hals. Mit beiden Beinen hüpfte sie wie auf einem Sprungbett. »Das ist das Schönste, was ich je bekommen habe!«, rief sie außer sich.
    »Das freut mich.« Anton tätschelte Helenas Rücken. Er war gerührt. Er hatte sich stets gewünscht, seine Tochter so glücklich zu sehen, was ihm nie gelungen war. Umso erfreuter war er, dass der Umgang mit seiner Enkelin überraschend einfach war.
    Hilde lehnte im Türrahmen. Sie schwieg zu diesem Geschenk, sah ihre Weltanschauung und Helenas Erziehung aber ernsthaft gefährdet. Zu einem konsumverwöhnten Kapitalismusjunkie wurde ihre Tochter hier gemacht, lautete Hildes stille Befürchtung. Sie würde Streitgespräche führen müssen über das Für und Wider von industriell gefertigten Puppen, die ein dem weiblichen Körper widersprechendes Ideal propagierten. Sie schluckte all ihre Worte und Vorbehalte hinunter und nahm sich vor, mit Helena ein gründliches Reinigungsritual zu begehen. Sie hatte sich nach fünf Jahren Familienentzug zu diesem gemeinsamen Fest entschlossen, weil sie auf den Pfaden des Matriarchats wandelte. Helena sollte Kontakt mit ihren Ahninnen aufnehmen. Zunächst einmal mit jenen, die noch lebten. Wenn es schon Hilde nicht gelang, sollte sich wenigstens Helena mit ihnen versöhnen. Hilde sah es dabei als ihre Aufgabe an, Helen umfassend auf männliche Hegemonialmacht und deren allgegenwärtige Repräsentationen vorzubereiten, dann wäre Helena auch für künftige Familientreffen gewappnet.
    »Schau, Opa, da kann die Barbie mit

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