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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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Schwachstelle
Sekretärin
nützen und mit einer kleinen Aktion herausfinden, ob sich jemand wachrütteln lässt? Denn welchen Nutzen hätte es, vernünftig zu bleiben, wenn die Welt verrückt spielt?
    Die Verzwicktheit der Finanzwelt überträgt sich glücklicherweise nicht auf meinen Darm. Gehe hinunter in mein Holzhäuschen. Die Sonne wirft sich mit einem hellen Strahl durch das Herz in der Klotür mir zu Füßen. Es ist warm, die getrockneten Kräuter, die über mir an Schnüren hängen, verströmen einen heimeligen Almduft. Verbrenne mein benütztes Klopapier in der Steinschale neben mir und höre jemanden im Garten. Schütte die Asche aus der Steinschale ins Klo. Merke, dass mein Goldtopf bald randvoll ist und umgesetzt werden sollte. Verlasse den besinnlichsten Ort meines Gartens. Benno steht wieder vor seinem Hochbeet und stopft sich Brombeeren in den Mund. Die hat er allerdings von einem meiner Sträucher an der Gartenmauer gepflückt. Denn seine Gewächse sind grün und beerenfrei. »Schmeckt’s?«, frage ich.
    Er nickt und führt weiterhin Früchte zum Mund. »Sehr. Meine tragen ja noch nicht.«
    »Wir müssen sie zurückstutzen.« Ich zeige auf die Himbeeren. »Wir müssen die Wurzelausläufer aus- und wieder eingraben, um neue Pflanzen zu bekommen.«
    Benno murmelt Verständnis, steckt die letzte Beere in den Mund und wischt sich seine lila Handinnenflächen an seiner Short ab. »Komm, setzen wir uns«, schlägt er vor, fasst mich leicht am Ellbogen und führt mich zur Bank. Dahinter reckt die Blumenwiese ihre Schönheit gut einen Meter der Sonne entgegen. Schmetterlinge, Bienen und Hummeln schwirren geschäftig über sie hinweg. »Wie bei der Klatschmohnwiese«, sagt Benno.
    »Ah, Biene Maja«, lache ich und lasse vor angenehmer Erinnerung meinen Kopf in den Nacken fallen. »Die hat mir aufregende Fernsehnachmittage mit Toni beschert! Die und Perrine, Niklas, Heidi und wie die deprimierenden, elternlosen Serienfiguren alle geheißen haben. Bei mir zuhause hat es keinen Fernseher gegeben, eine glorreiche Idee meiner Mutter, aber bei Toni konnte ich hemmungslos Kinderprogramm schauen. Toni ist das ziemlich auf die Nerven gegangen. Deshalb ist sie lieber bei mir und meiner Mutter gewesen. Außerdem war sie immer froh, ihrem Elternhaus zu entkommen.«
    »War deine Mutter so lässig?«
    »Schwer vorstellbar bei mir als Tochter, oder? Für Toni war sie eine Heldin. Die coolste, aufregendste, beeindruckendste Ersatzmutter der Welt. Ich hingegen hab meine Mutter seit meinem siebten Lebensjahr für äußerst schräg gehalten und sie später immer stärker gemieden.« Wir hören dem Gesumme hinter der Bank zu und schauen über meine ovalen Gemüsebeete, die in vollster Üppigkeit liegen. »Witzig, obwohl Tonis Eltern und meine Mutter grundverschieden waren, hatten sie eine Gemeinsamkeit: Ihre Kinder flüchteten vor ihnen. Toni suchte Exotik, die sie bei meiner Mutter fand. Ich suchte Normalität. Zuerst bei Toni, dann bei Leo.« Denke versöhnt an Leda, die alles anders machen wollte und – mich zur Tochter bekam.
    »Sollte man die Klatschmohnwiese nicht mähen?« Familiengeschichten scheinen Benno nicht sehr zu erwärmen.
    »Ja, nach der Festwoche werde ich mit der Sense ausholen, ihr Erleichterung verschaffen und mir duftendes Heu.« Der Garten riecht jetzt schon hochsommerlich gut. Atme tief ein, um den Geruch einzusaugen und ihn für klare Wintertage an einem gut gesicherten Ort in meiner Erinnerung zu verwahren. »Benno«, wechsle ich elegant und abrupt das Thema, »bist du eigentlich glücklich als Senior Analyst?«
    »Na ja, ich werde reichlich entlohnt und die Arbeit ist interessant. Glück ist da keine Kategorie.«
    »Und du hast keine moralischen Bedenken?«
    »Weshalb denn? Ich mach doch nichts Unmoralisches?«
    »Da habe ich anderes gelesen. Manche würden dich einen Erfüllungsgehilfen des neoliberalen Lebensentwurfs nennen. Jemand, der einem Prozent der Bevölkerung hilft, reicher zu werden, und dabei 99 % ärmer macht, ist doch unmoralisch, oder?«
    Benno ist von meinem Standpunkt überrascht. »Also gehöre ich zu den Bösen, oder was?«
    »Ja, schon. Ratingagenturen sind nicht gerade als Wohltäter verschrien.«
    Benno grinst, als wäre er über einen Disput mit mir froh. »Ach?«
    »Mit euren Ratings stürzt ihr doch Menschen ins Unglück, oder nicht? Daran bist
du
beteiligt.«
    »Schön, dass ich deine Meinung höre. Nur darf man das nicht nur einseitig betrachten. Wären Staaten nicht so hoch

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