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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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(welcher?) Gebrauch zu machen? »Berta, was willst du dort machen?«
    »Du versprichst mir,
nicht
auszuticken, mich
nicht
davon abhalten zu wollen und drohst mir
nicht
mit einer Anzeige?«
    Schüttle den Kopf. Aber was, wenn sie die Bude wirklich in die Luft jagen möchte? Bisher hat sie mir von ihren Aktionen lediglich Nacherzählungen geliefert, auf die ich keinen Einfluss mehr hatte. Aber wenn sie mich in ein zukünftiges Projekt einweiht: Verrate ich sie oder werde ich Mittäterin?
    »Helen, ich muss erfahren, wie Ratingagenturen im Detail arbeiten. Ich habe meine Vermutungen und Informationen, aber ich muss es von innen her verstehen.«
    Warte, ob da noch ein Nachsatz kommt, der Entführung, Mord oder Sprengstoff zum Inhalt hat. Sie wird doch nicht den ganzen Aufwand betreiben, nur um eine Dokumentation in Echtzeit zu erleben.
Embedded Journalism
ohne Journalistin sozusagen. Aber sie liefert keinen Nachsatz. »Und dann? Was machst du, wenn du das weißt?«
    »Dann manipuliere ich die Ratings für Deutschland, Österreich, Frankreich und die Benelux-Staaten.« Bertas unverändert lässige Körperhaltung lässt mich vermuten, dass das kein Witz sein soll. »Ich setze sie einfach alle auf BB minus, ein Raunen geht durch die Medien, Pensionsfonds und Versicherungen sind gesetzlich gezwungen, die Staatsanleihen dieser Länder abzustoßen, der Kurs der Papiere verfällt rapide, dafür steigen die Zinsen ins Unermessliche. Politiker rufen Sparprogramme aus. Das totale Chaos bricht los. Nach einiger Zeit werden die falschen Bewertungen dementiert. Aber mit etwas Glück ist der ohnehin bereits angekratzte Ruf der Ratingagenturen zerstört, ihre zweifelhafte Rolle in diesem irrwitzig gestörten Finanzsystem entlarvt. Alle Welt wendet sich angeekelt von ihnen ab. Wir sind befreit, glücklich und reiten dem Sonnenuntergang entgegen. Das ist in groben Zügen das, was ich mit meinem Sekretärinnenjob erreichen möchte.«
    Möchte lachen, weil die Sache noch wahnsinniger klingt als ihre bisherigen Aktionen. Doch ihre Ernsthaftigkeit hält mich zurück. Räuspere mich und setze mich aufrechter hin. »Und wie willst du das machen? Die lassen ihre Bewertungen doch nicht von einer Sekretärin durchführen, egal wie gut sie ins Team passt.«
    »Völlig richtig. So viel hab ich schon herausgefunden. Pro Land oder Produkt, wie die das nennen, schlagen zwei
Senior Analysten
das Rating vor. Das wird dem
Rating Committee
und den
Managing Directors
vorgelegt, die im einfachen Mehrheitsvotum die Bewertung beschließen.« Berta ist meinem Empfinden nach jetzt schon bestens informiert. Was will sie denn noch von Benno? »Und dann legen die Mächtigen ihr Leben wieder einmal gänzlich unbedarft in die Hände der Entmachteten. Sie reichen ihren Bericht an das Sekretariat weiter, das diesen in einer Aussendung allen Presseagenturen zuschickt. So der kurze Weg, der jedoch eine entscheidende Fehlerquelle aufweist. Wie leicht kann sich doch eine Sekretärin beim Abtippen der Bewertungen vertun? Erst vor knapp einem Jahr hat ein schlecht bezahlter Praktikant das Rating von Frankreich eine Woche zu früh rausgelassen. Pech, aber ich sag’s ja immer wieder, die leaken irgendwie, die Entmachteten.« Berta scheint von ihrem Plan überzeugt.
    »Du glaubst allen Ernstes, ich würde dir bei diesem Wahnsinn helfen?«
    »Du brauchst Benno nur zu sagen, dass er sich für mich einsetzen soll.«
    »Weshalb sollte ich das tun, jetzt, wo ich weiß, was du machen willst?«
    »Weil du es gut findest.« Meine Augäpfel zucken nervös hin und her. »Weil du endlich etwas ändern willst.« Will ich das? »Und erspar dir endlich deine moralischen Bedenken«, unterbricht Berta meine Grübelei. »Immer halten sich die Entmachteten mit Moral auf. Es sind die Mächtigen, die kontrolliert werden müssen und zwar von uns! Dort arbeitet niemand aus humanitären Gründen. Die richten sich nur nach den Interessen von Investoren. Denen ist soziale Gerechtigkeit scheißegal.«
    »Berta!«
    »Du weißt, wie ich’s meine. Die kümmern sich nur um ihren Gewinn, das muss endlich aufhören.« Sie starrt vor sich hin. Erschöpft oder enttäuscht von mir?
    Überlege Möglichkeiten, sie von ihrem Vorhaben abzuhalten:
    1.) Polizei informieren → aber worüber? Über eine offene Stelle als Sekretärin?
    2.) Benno warnen → Er plädiert für eine andere Bewerberin, aber was, wenn seine Kolleginnen für Berta stimmen?
    3.)
Standard & Poor’s
informieren → Achtung, die Bewerberin

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