Die wilde Gärtnerin - Roman
hinten an die Lehne, streckte ihre Beine waagrecht nach vor. Sie waren gerade so lang, dass ihre Schuhe nicht mehr auf der Sitzfläche auflagen, sondern in der Luft baumelten. Magda konnte die unleugbare Tatsache, dass sie in einem Auto saß, kaum fassen. Dass dieser Mann im pelzigen Mantel diesen Wagen auch noch steuern konnte, war gänzlich unbegreiflich. In Anbetracht solcher Großartigkeiten wusste sich Magda nicht zu helfen. Sie weinte entsetzlich. Zu Millionären musste sie gekommen sein, dachte sie. Sie spürte, wie gut es ihr hier gefallen würde und erstickte fast an ihrem schlechten Gewissen. Walter van den Braebeck hielt in der Auffahrt zu seinem Einfamilienhaus. Er reichte Magda die Hand und ging mit ihr dem Eingang zu, als das Gebell eines Collie-Schäfer-Mischlings immer näher kam. Van den Braebeck war es, der an diesem Abend den bestialischen Hund – der bald darauf zu Magdas Lieblingsspielzeug wurde – von ihr fernhielt. Er offerierte ihr von diesem Abend an, jeweils nach dem Essen, die tagsüber gut verwahrte Pralinenschachtel und deutete ihr, sich ein Stück herauszunehmen. Walter van den Braebeck wurde zum Sinnbild für wohlige Wärme, für einen gut gefüllten Magen, ein möbliertes Haus und Süßigkeiten in erreichbarer Nähe. Er stand für Frieden. Deshalb hätte Franz Cerny nichts Besseres passieren können, als in Walter van den Braebecks Bedeutungsfeld gestellt zu werden. Er verkörperte das genaue Gegenteil von Magdas generellem Männerbild. Er stand für Präsenz.
Von alldem ahnte Franz Cerny freilich nichts. Selbst Magda verspürte lediglich ein diffuses Wohlbehagen an seiner Seite, als sie den Spaziergang Richtung Lusthaus aufnahmen. Was Franz allerdings
genau
wusste, war, dass diese stupsnasige, bubiköpfige Eisverkäuferin mit den rachitischen Beinen seine Ehefrau werden würde. Dafür brauchte er weder frühkindliche Erinnerungen noch Gefühle von Geborgenheit. Für ihn war es abgemachte Sache, dass Magda und er zusammengehörten. Von der ersten Eiskugel an hatte er das gewusst. Da gab es kein großes Kribbeln und keine kleinen Zweifel. Nicht einen Augenblick beschäftigte er sich damit, ob Magda einen anderen Lebensinhalt ersehnte, als Wirtin im
Lerchenfeld
zu werden.
»Meine Tant’ hat mir die Wirtschaft schon überschrieben, oiso, nach ihrem Tod erb ich’s«, informierte er Magda auf Höhe der Jesuitenwiese. Er erklärte, dass das Geschäft gut ginge und er Investitionen in die Kühlanlage und die neue Kaffeemaschine getätigt habe. Nach Franz’ Auffassung war die Welt eine recht einfache: »Essen und trinken tun die Leut’ immer.« Selbst in wirtschaftlich schweren Zeiten ließen sie sich nicht davon abhalten zu heiraten, Kinder zu kriegen, sie taufen zu lassen, zur Kommunion und Firmung zu schicken und dabei immer wieder Gesellschaften auszurichten. Menschen würden freudig jeden Anlass ergreifen, um das eine und andere Weinglas zu erheben.
»Wenn sich die Leut bei einem Wirten wohlfühlen, macht er ein gutes G’schäft, is eh ein alter Hut«, schloss Franz seine Ausführungen. Magda folgte seinen Weisheiten nicht allzu genau.
Wenn sich deine Gäst’ nur halb so wohl bei dir fühlen wie ich, dann machen wir ein sehr gutes Geschäft, mein Lieber, dachte sie.
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5.1.
Es hat knapp über null Grad. Heize den Kamin schon vor dem Frühstück an. Danach alte Triebe der Ribiselsträucher geschnitten. Den Apfelbaum gelichtet.
Das Fenster gegenüber steht offen. Seit gestern.
6.1.
Grabe Schwarzwurzeln und Topinambur aus dem Gemüsebeet. Erde ist zwar hart, aber Knollen haben Frost gut überstanden. Toni macht Cremesuppe daraus. Köstlich. Sie hat durchgehend Kundschaft. Alle völlig verspannt. Kein Wunder bei der Wetterlage, sagt Toni. Kein Wunder bei dem antizyklischen Lebensrhythmus, sage ich. Aber lieber zahlen Leute für Shiatsu-Massagen, als länger zu schlafen, als sich nach den Bedürfnissen ihres Körpers und Verdauungstraktes zu richten. Habe keinerlei Verspannungen, stehe erst um neun Uhr auf, gehe früh schlafen und habe weichen, wohlgeformten Stuhl, dem Sterkobilin eine einwandfreie, hellbraune Farbe beschert. Zugegeben: muss auch keiner stumpfsinnigen Erwerbsarbeit nachgehen.
Drüben
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