Die wilde Gärtnerin - Roman
Hausherrin«, sage ich und muss dabei selbst lachen. Ihre Belustigung ebbt rasch ab, zudem hat sie mich auch ausreichend kategorisiert.
»Du bist also Kapitalistin.«
»Hausbesitzerin«, stelle ich klar, »die so wenig Miete wie möglich und so viel wie notwendig verlangt.«
»Das ist wie viel?«
»Circa fünfhundert, inklusive Betriebskosten für hundert Quadratmeter.«
Sie zieht die Mundwinkel respektvoll nach unten, wiegt ihren Kopf leicht zur Seite. »Gewinn?«
»Brauch ich nicht. Es muss genügend im Reparaturfonds sein, das ist alles.«
»Aber du lebst davon?«
»Ich habe alles, was ich brauche.«
Sonst fragt sie nichts mehr. Wir sitzen still nebeneinander. Es ist ungewöhnlich warm. Beginne leicht zu schwitzen, aber noch braucht sich mein Körper an die kurzzeitig erhöhten Temperaturen nicht anzupassen. Spätestens nächste Woche kühlt es erneut ab und bleibt so bis Mitte April. Wenn nicht sogar bis Mai. Berta neben mir schnauft auf, streckt sich, als würde sie aus einem Nickerchen erwachen. »Gut, dass du in meine Wohnung eingebrochen bist. Bis bald«, sagt sie und steht auf.
»Gern geschehen«, erwidere ich. Den Weg nach draußen findet sie selbst, ich bleibe sitzen und betrachte sie beim Fortgehen. Erst als sie weg ist, fällt mir auf, dass ich sie nicht nach ihrem Beruf gefragt habe. Bin mir aber sicher, auch bei ihr schlummert was im Verborgenen, pulsiert eine Wahrheit unter der offiziellen Alltäglichkeit.
18.1 .
Berta sitzt wieder drüben am Schreibtisch. Laptop und Smartphone (neu?) neben sich. Wir winken einander zu. Schon lockerer. Möchte sie gern zum Tee einladen. Ein Ruf aus dem offenen Fenster würde genügen. Zögere jedoch. Angst davor, aufdringlich zu sein? Weshalb? → Sie strahlt eine gewisse Reserviertheit aus. Ihre sportlich burschikose Art kann den Eindruck nicht überspielen. Habe es bemerkt, wie sie gestern durch den Garten gegangen ist, als wäre er ihr neuer Truppenübungsplatz. Eine Art Schutzschild umgibt sie, der ihr Privatsphäre garantiert und intime Fragen abhält. Jedenfalls fühle ich etwas in der Art und respektiere (vielleicht in vorauseilendem Gehorsam) eine gewisse Distanz zwischen uns.
Leider gibt es über Tonis Schüler keine positiven Neuigkeiten. Nicht etwa, weil sich Toni mit ihren Erzählungen zurückhält, sondern weil der Streber sich nicht abschütteln lässt. Laut Toni setzt er auf Kontinuität und meint, er brauche weiteren Nachhilfeunterricht, den sie ihm gewährt. Sie ist überdurchschnittlich gut gelaunt, um nicht zu sagen, entfesselt.
+++ OECD Umweltausblick 2050: mehr Treibgase, weniger Trinkwasser, mehr Naturkatastrophen, bis zu 6 Grad wärmer +++ Ex-Finanzminister soll 2,6 Millionen Euro hinterzogen haben +++ Syrien steigerte Waffenimporte seit 2001 um 580 Prozent +++ Nach Anschlag beteuert Osram Unbedenklichkeit von quecksilberhaltigen Energie-Sparlampen +++
1944
Es war später Vormittag, die Gaststube war bis auf ihren Bruder Max menschenleer, die Luft angefüllt mit Ausdünstungen des Vorabends und dem Geruch deftiger Hausmannskost. So deftig, wie es die Versorgung durch Lebensmittelkarten eben zuließ. Magda saß auf der Budel, schaute ihrem Bruder beim Essen zu und zog an einer Zigarette. Der blaugraue Rauch breitete sich um Magda aus und bemühte sich, ihre Gedanken zu zerstreuen. Doch sie kehrten nach jedem kleinen Ausflug geradlinig zu ihrem Ursprungsgedanken zurück.
»Wir werden Wien verlassen müssen.«
Franz’ Brief aus dem Feld lag neben ihr. Um die unschönen schwarzen Stellen der Zensur zu umgehen, hatte er lediglich geschrieben: »Ich mache mir große Sorgen wegen der Zustände zuhause. Bitte geh mit Anton zu meinen Verwandten ins Weinviertel.« Er selbst würde bald aus Russland abgezogen und nach Italien versetzt werden. Letztendlich war auch Franz Cerny so ein Mann geworden, der nicht da war; auf den man wartete, der womöglich nicht zurückkam. Wie alle Männer: abwesend. Nur Magdas Bruder Max war noch da.
Der verschlang sein Erdäpfelgulasch so eilig, als hätte er seit Wochen nichts zu sich genommen. Als würde er nicht seit über zehn Jahren täglich zu ihr essen kommen.
»Du kannst da net vorstellen, wie schlimm das für mich is«, sagte er hastig und schob den nächsten Löffel in seinen Mund. »Sie kann gar nichts mehr. Liegt den ganzen Tag im Bett. Des is net einfach für mich.« Max’ Frau Irma war eines Tages die Treppen hinuntergestiegen, und ihr Bein war unter ihr zusammengesackt. Seitdem lag sie im
Weitere Kostenlose Bücher